Tara Stella Deetjen arbeitet als deutsche Entwicklungshelferin in Nepal und Indien. Vielen Menschen gilt sie bereits als Nachfolgerin Mutter Theresas. Am 2. November 2018 wurde sie vom VDV in Köln mit dem GOLDENEN LOT ausgezeichnet. Der Ingenieurverband würdigt damit ihr äußerst mitmenschliches und soziales Engagement sowie ihre zahlreichen Initiativen zur Gründung von Kliniken, Kinderheimen und Schulen.
„Wollen wir innovativ sein, so müssen wir außerhalb der von uns selbst gesetzten Grenzen denken und handeln. Es ist das Verdienst von Deetjen, dass sie außerhalb der Konventionen handelt, dass sie äußerst beharrlich an die Mit-Menschlichkeit erinnert und diese auch konsequent einfordert.“ sagte VDV-Präsident Wilfried Grunau in seiner Laudatio. „Ihnen geht es nicht um den Abriss von Grenzen, sondern um Empathie und darum, Haltung zu zeigen und aktiv zu helfen. Und das haben Sie mit Ihren Projekten in Benares und jetzt in Nepal auf sehr eindringliche und auch nachhaltige Weise gezeigt.“
Eine Reise als Rucksacktouristin („Backpacker“) Anfang der 1990er Jahre durch Indien änderte ihr Leben: Stella Deetjen war Anfang 20 und wollte eigentlich Fotografie in Rom studieren. Doch alles kam anders: Als sie in der indischen Pilgerstadt Benares krank wird, hilft ihr ausgerechnet ein Bettler mit verstümmelten Händen und Füßen. Dieser an Lepra erkrankte alte Mann, der eigentlich selbst am meisten Hilfe bräuchte, fragt die junge weiße Touristin, ob er ihr irgendwie helfen könne. Die junge Frau ist im Innersten berührt: Ein „Unberührbarer“ bietet der Touristin, die ihm unermesslich reich und fern erscheinen muss, Hilfe an. Diese Begegnung führte dann auch letztlich zu ihrer Entscheidung in Indien zu bleiben und den Leprakranken zu helfen.
Stella Deetjen eröffnet ihre erste Straßenklinik in der 1,3-Millionen-Metropole Benares, kämpft für die Rechte der Menschen dort und klärt die Menschen in ganz Indien über das Krankheitsbild auf. 1996 gründet sie die die Hilfsorganisation „Back to Life e.V.“. Ihr Ziel: Bildung und Hilfe zur Selbsthilfe. 2009 richtet sich der Blick von Stella Deetjen zusätzlich nach Nepal und sie baut auch dort Schulgebäude und Geburtshäuser. Die gezielten Förderungen des Vereins in Indien und Nepal beziehen sowohl soziale als auch medizinische und landwirtschaftliche Aspekte mit ein und sind so ausgelegt, dass die Einheimischen befähigt werden, sich (langfristig) selbst zu helfen. Insgesamt konnten bis heute über 45 000 Menschen von Back to Life e.V. profitieren.
2016 veröffentlicht Stella Deetjen ihr Buch „Unberührbar – Mein Leben unter den Bettlern in Benares“, in dem sie von den Anfangsjahren ihrer Arbeit und des Vereins erzählt. Im gleichen Jahr trifft sie auf Papst Franziskus. Bereits 2006 wurde ihr von Michail Gorbatschow die Auszeichnung „World Hope Award“ verliehen. Und auch ihr Vorbild, Mutter Theresa, als deren Nachfolgerin sie vielen gilt, hat bei einem Besuch ihr Projekt gesegnet. Seitdem wird Tara, wie die Inder sie nennen, als „Stern von Benares“ selber wie eine Heilige verehrt. Im Hinduismus steht der Name Tara für eine Heilgöttin die auch unheilbare Krankheiten zu heilen vermag, und im Buddhismus steht das Wort für die Essenz des Mitgefühls.
„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.“ (Hermann Hesse, „Stufen“)
Die manchmal nicht ganz so zauberhaften Anfänge ihres Engagements hat Stella Deetjen in ihrem Buch „Unberührbar“ sehr intensiv geschildert. Sie macht darin das Leben der Ärmsten der Armen, der Unberührbaren unübersehbar sichtbar. Aber: sie beschreibt es nicht nur, sondern sie handelte sofort, sie tat etwas und tut es immer noch. Und etwas tun bedeutet auch, das Schweigen zu brechen, Haltung zu zeigen. Zu zeigen beispielsweise, dass bloße Sympathie Individuen gegenüber nicht ausreicht, sondern dass es weitaus mehr braucht, nämlich eine grundlegende Empathie, die in der Lage ist, sich in das Leiden auch von Gruppen hineinzuversetzen, deren Menschenrechte zu wahren, zu verteidigen und daraus ein Handeln abzuleiten.
„Nichts ist weniger unschuldig, als den Dingen ihren Lauf zu lassen“, sagte der französische Sozialphilosoph Pierre Bourdieu einmal. Und Recht hatte er. In einer globalisierten Welt wie der unsrigen ist es wichtig, den Umgang mit Vielfalt zu üben und den gesellschaftlichen Diskurs zu pflegen.
Ein gelungener Umgang mit Vielfalt bedeutet im Minimalfall, Konflikte gewaltfrei zu regeln. Im Idealfall heißt es, dass sich Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Identitäten in gleichem Maße zur Gesellschaft zugehörig fühlen, die gleiche Chance auf Wohlstand haben, politisch Gehör finden und untereinander wertschätzende Beziehungen pflegen.
Daraus leitet sich die Verantwortung ab, Vielfalt nicht bloß zu tolerieren und passiv zu ertragen, sondern sie anzuerkennen und aktiv zu gestalten.
Grundlage dafür ist beispielweise ein Verständnis, wie Märkte und Wirtschaftsorganisationen in historische, politische und kulturelle Zusammenhänge eingebettet sind, wie sie entstehen und wie sich ihre gesellschaftlichen Grenzen verändern.
Zum Thema Grenzen:
Ganz nüchtern betrachtet, ist eine Grenze zunächst einmal nicht mehr als eine wirkliche oder gedankliche Linie, die zwei Dinge voneinander trennt. Schauen wir uns einmal an, was die Grenze bewirkt: Sie lässt das eine enden, gleichzeitig das andere beginnen und umgekehrt. Und sie verleiht beiden Bereichen Kontur und Gestalt. Vor allem macht sie das eine vom anderen unterscheidbar – oder: Sie behauptet diese Unterschiede.
Das ist das Eigentliche, das Grenzen interessant macht. Wenn ich also heute Abend von Grenzen spreche, spreche ich von Unterscheidungen. Ohne Grenzen wäre nichts wahrnehmbar. Sie sind die Voraussetzung jeder menschlichen Erkenntnis. Denn jede Erkenntnis beginnt mit einem entscheidenden Akt: zu verstehen, dieses ist nicht jenes.
Aber, und das gehört zu jeder Grenzerfahrung: Man kann auch falsche Unterscheidungen treffen. Nicht die Grenze ist das Problem, sondern ob diese Grenze an dieser Stelle sinnvoll und notwendig ist. Und über Grenzen wird bekanntlich seit Menschengedenken gestritten.
Die eigenen, wie die fremden. Grenzen zu ziehen wird immer ein Balanceakt bleiben – in der Politik und in der Pädagogik, im Denken und im Leben. Grenzen als menschengemachte Konventionen sind nie absolut, sondern machen die Grenzüberschreitung immer möglich. Sie senden stets das Signal: Dahinter ist auch noch etwas, warum gehst du nicht auf die andere Seite?
Grenzen reizen also die menschliche Neugier und den Trieb weiterzugehen; um mit Goethes Faust zu sprechen: herauszufinden, was die Welt im Innersten zusammenhält.
Erlauben Sie mir, liebe Kolleginnen und Kollegen, noch einen kleinen Blick durch die Brille des Philosophen Paul Tillich der seine autobiografische Skizze „Auf der Grenze“ genannt hat: Unser Alltag ist von sozialen Grenzen durchzogen. Sie sind häufig so selbstverständlich geworden, dass wir ihnen kaum mehr Aufmerksamkeit schenken. Meist handelt es sich zunächst nur um symbolische Grenzen, das heißt sprachliche Etikettierungen zur Kategorisierung von Menschen, Praktiken, Objekten, Zeit und Raum. Zu sozialen Grenzen werden sie erst in dem Maße, wie sie bestimmte Handlungsweisen motivieren und mit ungleichem Zugang zu Ressourcen und beispielsweise deren Verteilungen einhergehen.
Ausgrenzen ist überall in der Geschichte der Menschen eine furchtbare Erfahrung. Und hier sind wir bei dem Themenfeld, in dem unsere heutige Preisträgerin sich engagiert: die Verbesserung der Lebensumstände von notleidenden und schwer benachteiligten Menschen.
„The electric light did not come from the continuous improvement of candles“, zu Deutsch: „Das elektrische Licht entsteht nicht dadurch, dass man Kerzen weiterentwickelt“. Dieses dem Wirtschaftswissenschaftler Oren Harari zugeschriebene Zitat beschreibt meines Erachtens sehr gut des Ansatz des VDV für die Auswahl der heutigen Preisträgerin.
Wollen wir innovativ sein, so müssen wir außerhalb der von uns selbst gesetzten Grenzen denken und handeln.
Und genau dies ist Ihr Verdienst, liebe Frau Deetjen, dass Sie außerhalb der Konventionen gehandelt haben, dass Sie äußerst beharrlich an die Mit-Menschlichkeit erinnern und diese auch konsequent einfordern. Ihnen geht es nicht um den Abriss von Grenzen, sondern um Empathie und darum, Haltung zu zeigen und aktiv zu helfen. Und das haben Sie mit Ihren Projekten in Benares und jetzt in Nepal auf sehr eindringliche und auch nachhaltige Weise gezeigt.
Herzlichen Glückwunsch zu dieser besonderen Auszeichnung!
Ihr Aussehen ist auffällig, sie trägt blonde Dreadlocks und kleidet sich oft in indische Saris. Stella spricht sechs Sprachen fließend, darunter auch Hindi und Nepali.
Tara Stella Deetjen arbeitet als deutsche Entwicklungshelferin in Nepal und Indien, ist Gründerin und Geschäftsführerin des gemeinnützigen Vereins „Back to Life e.V. – Hilfe zur Selbsthilfe in Nepal und Indien“. Sie wurde 1970 in Frankfurt geboren. Stella Deetjen machte 1989 ihr Abitur am Kaiserin-Friedrich-Gymnasium in Bad Homburg vor der Höhe. Sie nahm Schauspielunterricht in Frankfurt, lebte in Italien und wollte sich in Rom am "Europäischen Institut für Design" zur Fotografin ausbilden lassen. Der Studienplatz war ihr bereits sicher. Bis zum Beginn des Studiums war aber noch Zeit. Sie packte einen Rucksack und fuhr los, allein, nach Nepal, Tibet, Indien.
In der indischen Stadt Benares traf sie mit den dortigen Leprakranken zusammen. Deren Schicksal lässt Stella Deetjen nicht mehr los. Mutig und entschlossen verwirft sie ihre Zukunftspläne und eröffnet allen Zweiflern und Skeptikern zum Trotz und gegen alle kulturellen Widerstände die erste Straßenklinik in Benares, im Norden Indiens.
Durch ihre Initiative wurden im Laufe der Zeit eine Straßenklinik, 3 Kinderheime, ein Day-Care-Center sowie 13 Slumschulen eröffnet – zuerst zusammen mit freiwilligen Helfern, später mit Hilfe lokaler indischer Partner-Organisationen
1996 wurde der gemeinnützige Verein Back to Life gegründet.
Back to Life e.V. fördert seit 1996 in Indien und seit 2009 in Nepal die Verbesserung der Lebensumstände von notleidenden und schwer benachteiligten Menschen. Bis zu 45.000 Menschen werden mittlerweile durch die Maßnahmen von Back to Life erreicht. 7.700 Schüler profitierten von dieser Unterstützung.
Unter dem Leitgedanken „Hilfe zur Selbsthilfe“ werden die Projekte von der Gründerin Stella Deetjen initiiert. Projektleiter und Partner begleiten diese, um die örtliche Bevölkerung schließlich in die Selbstbestimmung und Selbstständigkeit zu führen. Administrative Aufgaben werden in Deutschland von einem kleinen Team ausgeführt, um die Kosten gering zu halten. Darüber hinaus leisten viele Helfer, Vereinsmitglieder sowie der Vorstand ehrenamtliche Arbeit.
Seit 2009 ist Back to Life auch in Nepal aktiv. Unter Leitung von Tara Stella Deetjen entstanden bisher 20 Schulen und 6 Geburtshäuser, 3 weitere sind bereits in Planung. Umfangreiche soziale, landwirtschaftliche und medizinische Hilfsprojekte vervollständigen das Angebot an die Bedürftigen.
2016 veröffentlichte sie ihr Buch „Unberührbar – Mein Leben unter den Bettlern in Benares“ und traf im gleichen Jahr auf Papst Franziskus. .In dem wirklich lesenswerten Buch hat man auf keiner Seite das Gefühl, dass sich die Autorin "schmücken" will mit ihren humanitären Aufgaben. Man fühlt sich, als wäre man mit dabei und es ist spürbar, dass dem Buch tatsächlich eigene Tagebuchaufzeichnungen zu Grunde lagen.
Bereits 2006 wurde ihr von Michail Gorbatschow die Auszeichnung „World Hope Award“ verliehen, in 2007 „Die goldene Bild der Frau“. Weitere Auszeichnungen: Elisabeth-Norgall-Preis (2006), 2007: Frauenlauf Award (2007), Holzisch Latern (2015), Nomadin des Jahres (2015)
Stella Deetjen nutzt die mediale Öffentlichkeit, um auf ihre spendenbedürftigen Projekte aufmerksam zu machen. Hierfür hatte sie Auftritte in Talkshows (u. a. Beckmann, Tietjen und Hirschhausen, Markus Lanz, NDR-Talkshow, Planet Wissen, Kölner Treff, Menschen hautnah, DAS!), im Radio (bspw. bei hr3 - Bärbel Schäfer Live, WDR 5 - Neugier genügt), wie auch auf dem Wiener Opernball 2007.
Außerdem hält Stella Deetjen regelmäßig Vorträge über die Projektarbeit des Vereins Back to Life bei Rotary- und Lions Clubs, Stiftungen, Schulen oder bei sonstigen Veranstaltungen.
Von sich selbst sagte sie einmal in einem Interview: "Ich bin eine ganz normale Frau."