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Goldenes Lot 2008 an Arved Fuchs

Das GOLDENE LOT, die höchste Auszeichnung des VDV erhielt in diesem Jahr der Polarforscher Arved Fuchs. Im Rahmen einer Festveranstaltung in der KölnMesse wurde die Auszeichnung vom Stifter des Lotes, Herrn Wolfgang Kramer sowie dem VDV-Präsidenten Wilfried Grunau überreicht. Die Laudatio hielt die Vorjahrespreisträgerin, Prof. Dr. Rita Süssmuth.

 

Der Polarforscher Arved Fuchs wurde 1953 in Bad Bramstedt geboren und studierte, nach der Ausbildung bei der Handelsmarine, Schiffsbetriebstechnik in Flensburg. Nach seinem Studium machte er sich selbstständig und bereits im Jahre 1977 folgte seine erste Expedition mit einfachsten Mitteln und einem indianischen Kanu in Kanada. Es folgten weitere Expeditionen in Borneo und Grönland, bevor er 1980 den ersten Versuch startete, um den Nordpol zu erreichen, aber scheiterte. In den Folgejahren schließen sich weitere Expeditionen in Kanada und Grönland an. 1984 gelingt ihm die erste und bis heute einzige Winterumrundung des Kap Hoorns mit einem Faltboot. Im Jahre 1989 gab es einen neuen Höhepunkt seiner Expeditionen. Unter extremen Bedingungen (–52°C) erreicht er über das Packeis den geographischen Nordpol. Noch im gleichen Jahr erreicht Arved Fuchs zusammen mit Reinhold Messner den Südpol und hat damit als erster Mensch in einem Jahr den Nord- und Südpol auf Skiern erreicht. Es folgten weitere Expeditionen auf den historischen Routen der Nordwestpassage und der Nordostpassage. Weiterhin folgte Arved Fuchs der „2. Deutschen Nordpolexpedition (1869/70)“ und der „Peary-Expedition (1906)“ teilweise auf Segelschiffen, Hundegespannschlitten oder auf Skiern.

 

Der Forscher Arved Fuchs ist ein ausgewiesener Experte in Fragen der Polerforschung. Sowohl am Nordpol als auch am Südpol hat er mehrere schwierige Expeditionen durchgeführt. Es ist ihm Anliegen, die Schwierigkeiten aufzuzeigen, die frühere Expeditionen im 19. und 20. Jahrhundert bereits durchlebt haben. Für seine vielfältigen Leistungen bei der Polerforschung ehrte der VDV Arved Fuchs am 17. Oktober mit der höchsten Auszeichnung des Verbandes, dem GOLDENEN LOT.

Rede des VDV-Präsidenten

Es gilt das gesprochene Wort

Woody Allen sagte einmal: „Ich denke viel an die Zukunft, weil das der Ort ist, wo ich den Rest meines Lebens zubringen werde.“ Wer dieses Motto ernst nimmt, landet natürlich schnell bei den Fragen nach den Visionen für eine Gesellschaft.

 

Die Fragen, woran sich Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und der oder die Einzelne ausrichten, sind immer in Umbruchzeiten besonders griffig. „Klimawandel“ ist so ein Megatrend, der nach Maßstäben, nach Orientierung, nach Sitte und Anstand fragen lässt. Es gibt heute nicht mehr viele Menschen, die die Bedrohungen – oder für Optimisten auch Herausforderungen – in Frage stellen, denen sich die Menschheit gegenübersieht. Die offiziellen Institutionen schließen sich immer mehr den bekannten Gesellschaftskritikern an und bekräftigen, dass die derzeitige Entwicklung nicht länger vertretbar sei und dass wir ins Verderben laufen, wenn nicht endlich tief greifende Veränderungen vorgenommen werden. Aber welche? Brauchen wir mehr oder weniger internationalen Handel, Marktwirtschaft, welche sozialen Praktiken sollten verstärkt oder verhindert werden? Drängende Themen entwickelter Industriestaaten – nachhaltige Ökonomie, Klimaschutz, demografischer Wandel, Zukunft der Bildung oder der sozialen Balance – sind hochkomplexe öffentliche Fragen. Obwohl diese uns direkt betreffen, wird der Beitrag unseres Berufsstandes zu ihrer Beantwortung nicht immer sichtbar.

 

Der Klimawandel ist derzeit in aller Munde und wird häufig als das größte Problem des 21. Jahrhunderts bezeichnet. Längst hat sich auch der Klima- und Umweltschutz von seinem früheren rein ökologischen Umfeld gelöst und steht nun im Zentrum wirtschaftspolitischer Diskussionen. Das zentrale Problem wird von Fachleuten im raschen Bevölkerungswachstum der Industrienationen und dem daraus resultierenden Verbrauch einer schier unübersehbaren Menge an Energie und Rohstoffen gesehen. Plötzlich steht also das Klimaproblem ganz oben auf der politischen Agenda, aber eben nicht nur aus Gründen des Umweltschutzes sondern auch, weil weltweit die Sorge um den Energienachschub wächst. Mehr als je zuvor sind deshalb gerade die Ingenieure bei ihrer Arbeit gefordert, die Wechselwirkungen von Mensch, Technik und Umwelt einzubeziehen und Ökologie und Ökonomie zu verbinden.

 

Schon immer hat gegolten, dass der Mensch nicht alles darf, was er kann. Das gilt natürlich auch unabhängig von Technik. Seit den Anfängen menschlicher Kultur haben Moral und Sitte den Raum möglicher Handlungen zu dem Raum möglicher und legitimer Handlungen eingeschränkt. Moral erleichtert Entscheidungen über Handlungsabläufe und stellt Handlungsregeln bereit, die das Leben in den allermeisten Situationen erheblich vereinfachen.

 

Problematisch wird es immer dann, wenn es nicht nur mehrere Handlungsmöglichkeiten gibt, sondern auch verschiedene Orientierungsmöglichkeiten für deren Entscheidung. Ethik hat, als Reflexionstheorie von Moral, „die jeweils herrschende Moral kritisch zu prüfen sowie Formen und Prinzipien rechten Handelns zu begründen“, sagt dazu der Tübinger Philosoph Ottfried Höffe. Erschwert wird diese ethische Reflexion allerdings durch die Tatsache, dass die Konsequenzen von Handlungen heute sehr viel schwieriger zu übersehen sind als früher, was im Wesentlichen zwei Gründe hat:

 

Zum einen lassen sich die Folgen einzelner, im Gesamtzusammenhang technischen Handelns vorgenommener Handlungen aufgrund der Arbeitsteiligkeit unserer Gesellschaften mitunter schwer überblicken. Technik wird entwickelt und eingesetzt, um bestimmte Ziele zu verwirklichen. Diese Ziele werden aber in einer arbeitsteiligen und technisierten Welt nicht mehr von einem einzelnen Akteur erreicht, sondern erfordern die Kooperation und Vermittlung zahlreicher Handelnder. Unter diesen Bedingungen ist das technische Handeln meist das Ergebnis einer Kette von Aktionen und Handlungen Einzelner.

 

Zum anderen sind die Folgen technischen Handelns aufgrund verschiedenster, zum Teil weltweiter Vernetzungen oft nicht genau zu kalkulieren. Es ist geradezu zum Zeichen der Zeit geworden, dass verschiedenste Regionen unseres Planeten sowie verschiedenste Sektoren, Bereiche und Akteure unserer Gesellschaften vernetzt werden, was mit dem Stichwort Globalisierung nur unvollkommen beschrieben wird. Realsymbole für diese Vernetzung sind z.B. das Internet und die neuen Kommunikationstechnologien. Doch auch durch Massentourismus oder zwischenstaatliche Assoziationen (zum Beispiel Europäische Union) wachsen verschiedenste Regionen der Erde sowie verschiedenste gesellschaftliche Bereiche zu einem globalen System zusammen.

 

Typisch für eine Vernetzung verschiedener Sub-Systeme ist übrigens die Möglichkeit von Rückkopplungen und chaotischem Verhalten, bei dem ja auch kleinste Ursachen bekanntlich sehr große Wirkungen haben können und wodurch die Vorhersage zukünftiger Entwicklungen schwierig, wenn nicht unmöglich wird.

 

Obgleich es selbstverständlich immer schon unmöglich war, sämtliche Folgen einer Handlung in die ethische Reflexion einzubeziehen, sind die Folgen technischen Handelns in unserer hochgradig vernetzten und komplexen Welt ungleich schwieriger abzuschätzen als früher. Alle wollen eine bestimmte Technologie, aber keiner will die unerwünschten Begleiterscheinungen spüren müssen. Das Ausmaß der Nebenfolgen technischen Handelns hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten aber derart zugenommen, dass diese in der Summe zu einem globalen Wandel, zu einer dauerhaften Veränderung der Lebensbedingungen im Kultur-Naturraum Erde führen.

 

Die Leitfrage, die hier und heute sicherlich nicht beantwortet werden kann, könnte man wie folgt formulieren: Welche Techniken leisten unter welchen Bedingungen welchen Beitrag zu einem guten Leben in einer zukunftsfähigen Gesellschaft auf einer lebenswerten Erde?

 

Mit dem Goldenen Lot zeichnet der VDV Persönlichkeiten aus, deren Haltung zu bewundern ist und denen unser Berufsstand sich im Geiste verbunden fühlt: für den Mut, Fragen zu stellen und nach Antworten zu suchen.

 

Arved Fuchs zeichnet sich dadurch aus, dass er stets und wie kein Zweiter für seine Überzeugungen eintrat und eintritt. Einer, der in zahlreichen Aktionen und Publikationen öffentlich denkt. Mit hoher Sensibilität spürt er Themen auf, die die Gesellschaft bewegen. „Man kann nicht über Klimawandel lamentieren und irgendwelche Schuldzuweisungen treffen, ohne auch selbst aktiv zu werden“, hat er kürzlich der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gesagt. Arved Fuchs zeichnet sich dadurch aus, dass er unsere Denk- und Handlungsweisen durchleuchtet und gängige Verhaltensweisen hinterfragt. Sich selbst sieht er als Chronisten seiner Expeditionen. Wir alle werden dadurch angeregt, die großen umweltpolitischen Herausforderungen der Gegenwart endlich in Angriff zu nehmen.

 

Sehr geehrter Herr Fuchs, der VDV ist sehr stolz darauf, Ihnen heute seine höchste Ehrung zu überreichen: Das Goldene Lot 2008.