Was lange währt, wird endlich gut
Schon im Jahr 2006 gab es aus dem Bezirk Wuppertal eine Anfrage an „RWE Power AG“ zwecks Besichtigung des Pumpspeicherkraftwerks (PSW) Koepchenwerk. Leider erhielten wir eine Absage wegen ganzjähriger Revision und so wurde der Besichtigungswunsch beiseitegeschoben.
Das Koepchenwerk steht schon seit 1986 unter Denkmalschutz. Wegen fehlenden betrieblichen Interesses dachte der damalige Eigentümer RWE Power AG sogar an einen Abriss der Anlage. Letztendlich ging nach umfangreichen Verhandlungen dieses Denkmal im Jahr 2016 in das Eigentum der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur über. Dadurch konnten viele Objekte des Koepchenwerk bestehen bleiben.
Wir starteten einen neuen Anlauf, doch die im Jahr 2020 geplante Besichtigung in Zusammenarbeit mit dem Bezirk Hagen musste wegen der Corona-Pandemie schließlich auch abgesagt werden.
Jetzt nach der offiziellen Beendigung der Corona-Pandemie wollten wir es ein drittes Mal angehen und in Kooperation mit dem Bezirk Hagen gelang uns am 13.05.23 die Besichtigung mit Führung dieses Industriedenkmals, dass im Regelfall geschlossen ist, aber für Führungen immer wieder geöffnet wird.
Viele von uns werden das Koepchenwerk mit den markanten Druckrohrleitungen und dem 2018 neu gestalteten RWE-Schriftzug schon öfters im Vorbeifahren von der A1 aus gesehen haben. Wir wollten aber mehr und dieses Denkmal von innen besichtigen.
Unser zugesagtes Führungspersonal – Herr Hoppmann – erwartete uns am Eingang der 1929 errichteten Maschinenhalle und ließ uns die ersten Eindrücke der gewaltigen Turbinen und Motor-Generatoren verarbeiten. Für unsere individuelle Führung war ein Stuhlhalbkreis im Maschinenhaus aufgestellt, von wo aus wir die Geschichte der Stromerzeugung von Herrn Hoppmann erläutert bekamen.
Licht war für die Menschheit immer ein besonderes Gut. Über Feuerstellen, Fackeln, Öllampen, Kerzen kam man zur Gaslampe. 1807 wurden durch Gas in London die ersten Laternen in ein warmes gelbes Licht gehüllt. In Deutschland wurde 1824 die erste Gasanstalt in Hannover erbaut. In den 1840-er Jahren konnten Bogenlampen über magnetelektrische Maschinen mit Strom versorgt werden. Die Entwicklung hierüber zur Glühbirne schritt voran, der Konkurrenzkampf war groß.
Der Durchbruch der Stromversorgung gelingt durch die Entdeckung des dynamoelektrischen Prinzips. Werner von Siemens erkennt 1866 unabhängig das Prinzip einer elektrischen Maschine ohne Permanentmagnet, das als Initialzündung für das Zeitalter der Elektrizität bedeutet. Als Antriebsmaschinen wurden Wasserräder, Wasserturbinen sowie Dampfmaschinen verwendet.
Die Versorgung mit Strom ließ die ersten Kraftwerke für die öffentliche Elektrizitätsversorgung bauen. So wurde auch schon 1887 in Wuppertal-Elberfeld am „Hofkamp“ die Inbetriebnahme eines kleinen Elektrizitätswerkes durchgeführt. Die Wachstumsraten des Elektrizitätsbedarfs ließen später Großkraftwerke als Steinkohle-, Braunkohle-, Atom- und Pumpspeicher-Kraftwerke entstehen.
Den Wettlauf um die Inbetriebnahme des ersten Pumpspeicherkraftwerks (PSW) ohne natürlichen Zufluss mit einem künstlichen Oberbecken zwischen den PSW Niederwartha a.d.Elbe (Dresden) und dem PSW Koepchenwerk an der Ruhr (Herdecke) gewann das erstgenannte. Das PSW Niederwartha ging mit der ersten Maschine am 27.11.1929 ans Netz. Die endgültige Fertigstellung und Inbetriebnahme des letzten Maschinensatzes erfolgte jedoch erst im März 1930. Das Koepchenwerk wurde am 28.01.1930 vollständig in Betrieb genommen. Den Namen erhielt das PSW von seinem Planer, Prof. Dr. Ing. Arthur Koepchen (Vorstandsmitglied des damaligen RWE). Die Funktionsweise eines PSW besteht aus dem teilweisen Austausch des Wassers des Oberbecken mit dem Unterbecken (hier Hengsteysee). Das PSW arbeitete nicht kontinuierlich, sondern es kam dann zum Einsatz, sobald die Kohlekraftwerke nicht mehr den Energiebedarf decken konnten. Aus dem Speicherbecken (Obersee), dass sich 160 m über dem Hengsteysee befindet, strömte das Wasser durch die großen Wasserleitungen auf Turbinen. Diese erzeugten den fehlenden Strom. In der Nacht wurde durch den überschüssigen Strom aus dem Netz das Wasser wieder aus dem See in das höhere Speicherbecken gepumpt. Durch diesen Pumpspeicherbetrieb kann der Wasserspiegel des Hengsteysee bis zu einem Meter schwanken. Der Hengsteysee selbst wurde 1929 fertiggestellt und ist primär als Flusskläranlage zur Feinreinigung des Ruhr- und Lennewassers geplant worden.
In dem Koepchenwerk kam es im Dezember 1980 zu einen weitreichenden Schadenfall. Das Gehäuse einer Pumpe riss (als Schauobjekt ausgestellt), Folgeschäden konnten vermieden werden. Untersuchungen zeigten jedoch eine unmittelbare Gefahr an weiteren Pumpen, so dass sich das RWE im Jahr 1981 entschied, gleich nebenan ein neues Pumpspeicherkraftwerk (Pumpspeicherkraftwerk Herdecke) zu bauen, dass in den Jahren 1985 – 1989 erbaut wurde. Das Prinzip dieses PSW ist gleichgeblieben, jedoch wurden neue Wasserrohre in Bergmännischer Vortriebstechnik zum Speicherbecken gebaut.
Endgültig stillgelegt wurde das Koepchenwerk im Jahr 1994. Die Steuerungstechnik der Schaltwarte wurde ausgebaut, der Steuerraum (Kontrollzentrum) steht leer. Leider ist von der Technik nur noch ein wenig zu erahnen. Die Rohrleitungen zum Speichersee wurden mit Beton verschlossen.
2015 stellte RWE einen Abrissantrag für die denkmalgeschützte Anlage. Daraufhin übernahm 2016 die Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur das Werk in ihr Stiftungseigentum. Ab 2017 wurde eine umfassende Sicherung des Werks durchgeführt. Restaurierungen dürfen jetzt nur noch mit Originalteilen und Materialien durchgeführt werden. Das Koepchenwerk könnte eine zentrale Rolle im Rahmen der internationalen Gartenausstellung 2027 (Metropole Ruhr) spielen.
Seit dem Sommer 2021 gibt es ein Projekt auf der Fläche (Steilhang zwischen den Druckrohren) des Koepchenwerk biodynamischen Weinbau mit ca. 1300 Reben zu betreiben. Die erste Ernte könnte schon 2026 erfolgen.
Ein weiteres Projekt ist in Planung, dass durch eine Machbarkeitsstudie von der Stadt Hagen in Auftrag gegeben wurde: Eine Panorama-Zip-Line vom Speicherbecken hinunter zur Südseite hinein in den neuen See-Park Hagen.
Nach diesen vielen Eindrücken, Erläuterungen und Anschauungen wurde der Nachmittag durch ein sehr geselliges Beisammensein bei tollem Sonnenschein (nach einem heftigen Gewitter) der Wuppertaler und Hagener VDV-Kollegen (und auch eines Remscheider VDV-Kollegen) in dem nahegelegenen Lokal „Proto“ direkt am Hengsteysee feuchtfröhlich abgeschlossen.