In diesem Jahr der endgültigen Beendigung des Kohlebergbaues in Deutschland, und damit in ganz Westeuropa, kommt es im Ruhrgebiet zu mehreren Veranstaltungen. Die Ausstellung „Das Zeitalter der Kohle“ auf dem Gelände des Weltkulturerbes Zeche Zollverein in Essen gibt einen eindrucksvollen Überblick darüber, was der Kohlebergbau für die Entwicklung der Landschaft und für die Menschen bedeutet hat. Eine Besuchergruppe aus dem VDV-Bezirk Essen – mit einigen Kollegen aus dem Bezirk Dortmund –wollte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, diese Ausstellung zu besuchen, da doch gerade auch unsere Stadt, im Zentrum des Ruhrgebietes, durch diese Ära geprägt wurde.
Die Führung begann bereits am Wiegeturm, der Schnittstelle zwischen Zeche und Kokerei. Von hier aus wurden wir mit einer Seilbahn durch den ehemaligen Förderkanal von der Zeche zum Kohlebunker der Kokerei transportiert. Hier begann nun die Ausstellung mit der Entstehungsgeschichte der Kohle im Karbonzeitalter vor ca. 300 Millionen Jahren.
Ein erster Blickfang war das Schaubild der Kohlevorkommen in ganz Europa, von England über Frankreich, Belgien, Deutschland, Polen bis in die Ukraine, die sich durch die Kontinentaldrift im Laufe der erdgeschichtlichen Entwicklung aus der ursprünglichen Äquatorregion über die gesamte Erde verteilt haben. Die Vorkommen der Kohle reichen weit über die der Öl- und Gasvorkommen hinaus. Es wurde die Zahl von 6.000 Jahren, bei dem heutigen Abbaufortschritt, genannt.
Der Kohlebergbau im Ruhrgebiet begann in der Mitte des 18. Jahrhunderts oberflächennah, bis er sich, nordwärts ziehend, in immer tiefer liegende Vorkommen verlagerte. Es sind seitdem laut Schätzungen in dieser Region ca. 8,5 Millionen Tonnen Steinkohle gefördert worden und es sollen noch 440 Millionen Tonnen unter dem Ruhrgebiet lagern.
Herr Grüttner, der uns durch die Ausstellung führte, erläuterte uns seine Sicht auf die politischen Auswirkungen durch die Verteilung der Vorkommen. Er ist der Überzeugung, dass dies bis heute, wie z. B. in der Ukraine, noch immer zu Verteilungskämpfen führt.
Von einer Aussichtsplattform konnten wir einen Blick über das zentrale Ruhrgebiet werfen. Dabei wurde uns bewusst gemacht, dass vor 200 Jahren diese ganze Gegend flach und sumpfig war. Durch die Kohle hat sich hier alles verändert. Durch die nach Norden abfallenden Kohleflöße wurden hier nun Bergwerke bis über 1.000 m Tiefe errichtet, um die Kohle zutage zu fördern. Durch diesen Abbau und die dadurch entstehenden Absenkungen der Geländeoberfläche und das Entstehen von Kohle- und Abraumhalden hat sich die Sumpflandschaft in eine hügelige Industrielandschaft verändert. Dies konnte man von hier oben sehr schön erkennen. Da aber im Zentrum des Ruhrgebietes schon seit einiger Zeit kein Bergbau mehr stattfindet, hat sich diese Landschaft wieder mit sehr viel Grün geschmückt.
Ein Teil der Ausstellung wurde auch den teils unmenschlichen Bedingungen, die noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts im Bergbau herrschten, gewidmet. Was die Bergleute auf sich nehmen mussten, um die Kohle zu fördern, ist für unsere Begriffe unvorstellbar. Da war von Bergarbeiterromantik wenig zu spüren. Die Bedingungen unter Tage haben bei den Bergleuten häufig zu schweren Lungen-, Gelenk- und sonstigen Krankheiten durch Schmutz, Staub und mangelnde Hygiene geführt. Erst nach dem zweiten Weltkrieg hat sich die Situation durch die fortschreitende Technik im Untertagebetrieb wesentlich verbessert.
Nach diesen recht bedrückenden Erkenntnissen wurden wir über die Bedeutung der Kohle für die Veränderungen der Lebensverhältnisse aller Menschen aufmerksam gemacht. Seit Beginn der Industrialisierung, die mit dem Kohlebergbau einher ging, kam es zu einer Bevölkerungsexplosion. Dadurch entstanden Gebietskörperschaften, um die Probleme, die durch den rasanten Bevölkerungszuwachs entstanden waren, zu bewältigen, z. B. wurde die Emschergenossenschaft für die Bewältigung der Abwasserproblematik und der Ruhrverband für die Wasserversorgung gegründet, Eisenbahngesellschaften und Kommunalverbände entstanden. Das Bankwesen gewann an Bedeutung, da die kostenintensiven, mehrere Jahre vorlaufenden Investitionen in Bergwerke finanziert werden mussten.
Eine ganz wesentliche Entwicklung durch die Kohle war das Entstehen der chemischen Industrie in dieser Region. Das begann ganz profan damit, dass die bei der Koksgewinnung abfallenden Gase für die Straßenbeleuchtung in den Städten genutzt werden konnte. Das führte zu besseren Arbeits- und Lebensbedingungen. Die organische Chemie entstand durch den in der Kohle enthaltenen Kohlenstoff und Kohlenwasserstoff. Als Beispiel wurde genannt, dass aus der Kohle bis zu 14.000 verschiedene Farben entwickelt wurden. Eine ganze Wand im Museum mit Ingredienzien aus der Farbgewinnung stellt diese Entwicklung dar. Auch die Entwicklung bei der Eisenbahn und der Stahlindustrie ist durch die Kohle erst möglich geworden.
Die wirtschaftliche Entwicklung des Ruhrgebietes wurde durch vorausschauende Pioniere gefördert, die zum Teil noch heute die Namensgeber für Großkonzerne sind, wie Haniel, Krupp, Thyssen, Hoesch, Stinnes, Mannesmann usw. Zu nennen sind auch Konzerne der Chemieindustrie, z. B. Bayer, Henkel, BASF. Das gleiche gilt auch für die Energiekonzerne RWE und EON, die die Energieversorgung weiter Teile Deutschlands über die Kohleverstromung gewährleistet haben. Allein durch diese Beispiele wurde das Zeitalter der Kohle und der Einfluss auf unser aller Leben deutlich gemacht.
Es ist im Übrigen eine große Leistung, dass trotz der Beendigung des Kohlebergbaues der damit verbundene Strukturwandel in dieser Region weitestgehend gelungen ist. Dies wird sogar weltweit beachtet, wenn auch die Energiewende noch große Probleme bereitet. Aber ein Satz ist hängen geblieben: Die Kohle ist eigentlich zu wertvoll, um verbrannt zu werden.
In einer abschließenden Diskussion wurde noch auf die Problematik für die Umwelt und die dadurch entstandenen Ewigkeitslasten der Wasserhaltung im Ruhrgebiet eingegangen. Wie es damit weiter geht, steht noch in den Sternen. Vielleicht werden sogar eines Tages die Bergwerke noch einer nützlichen Verwendung zugeführt werden können.