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Grubenfahrt auf Prosper Haniel

Termin:  31.07.2014 13:30 Uhr
Ort: Bottrop

Am 31.07.2014 konnten 19 Kolleginnen und Kollegen des VDV-Bezirk Essen das Steinkohlenbergwerk Prosper-Haniel Schacht 10 in Bottrop-Kirchhellen besuchen. Davon erfüllten 12 Teilnehmer zwischen 18 und 60 die Voraussetzungen und Bedingungen für das Abenteuer „Grubenfahrt“.

 

Da aber auch großes Interesse für die allgemeinen Belange des im Auslaufen begriffenen Bergbaues bestand, wurde für Teilnehmer die nicht an der Grubenfahrt teilnehmen konnten ein Rahmenprogramm vereinbart.

 

Mit einem herzlichen Glückauf begrüßte uns der Markscheider Joachim Bock und stellte uns Dipl.-Ing. Uwe Hoelting aus dem Bergbaubetrieb für die Grubenfahrt sowie Dipl.-Ing. Georg Hagmans aus der örtlichen Markscheiderei für die übertägigen Informationen vor.

 

Mit einem Einführungsfilm über den Bergbaubetrieb von Prosper-Haniel und einer PowerPoint-Präsentation von Uwe Hoelting mit allgemeinen Informationen und Sicherheitshinweisen für die Grubenfahrt wurden die Besucher eingestimmt.

 

Das Grubenfeld von Prosper-Haniel liegt westlich von Bottrop-Kirchhellen in einem größtenteils ländlichen Bereich nördlich der Emscher. Der Schacht 10 liegt am nördlichen Rand des Grubenfeldes Prosper Nord.

 

In Bottrop wird ein leistungsfähiger und umweltschonender Bergbau betrieben. Rund 4.200 Mitarbeiter fördern ca. 3,0 Millionen Tonnen Steinkohlen im Jahr. Das untertägige Streckennetz hat eine Gesamtlänge von 141 Kilometer. Die größte Teufe beträgt 1189 m. Das Grubenfeld umfasst 165 km². In drei Abbaugebiete (Haniel West und –Ost, Prosper Nord) werden aus 15 Betrieben (Strebe) Kohle abgebaut. Der Transport erfolgt über eine Gefäßförderung (Skip-Anlage) sowie über einen 3,7 km langen Förderberg mit 21% Neigung nach über Tage.

 

Durch dieses Förderverfahren mittels Schrägstollen wird die Kohle weit entfernt von Prosper Schacht 10 bei Prosper II in Bottrop bei zu tage gefördert. Dadurch entsteht das Bild einer Zeche in ländlicher Umgebung ohne dass man vom Kohlenstaub etwas bemerkt, wie dies früher im Ruhrgebiet üblich war. Von dort aus werden mit der Bahn 10 Kunden, wie z.B. das Kraftwerk Stöcken in Hannover, das VW Kraftwerk in Wolfsburg, bedient.

 

Der Schacht 10 dient zum Einfahren der Bergleute und zum Transport von Material und Ausrüstung.

 

 

 

Das Abenteuer „Grubenfahrt“

 

Die Untertagegruppe ist bis auf die 6.Sohle auf eine Teufe von 986m angefahren.

Mit der Grubenbahn konnten ca. 4,5 km in Richtung Abbaufeld zurückgelegt werden. Vom Zielbahnhof aus musste noch ein Fußweg von ca. 1,2 km bewältigt werden, um zum Abbaustreb zu gelangen.

 

Die Kenndaten des Strebes, Abbaufeld 192: Breite: 400 m, Baulänge: 1026 m, Mächtigkeit: 1,10 m – 1,40 m (davon 0,07 m Berge), Tagesleistung: 2,40 m, Kohlenvorrat: 623.000 to.

 

Bereits vor der Anfahrt wurde den Teilnehmern der hohe Sicherheitsstandard näher gebracht. Die Anzahl der Betriebsunfälle hat sich in den letzten 10 Jahren stetig verringert. Um dies zu erreichen wird ein hoher technischer Aufwand betrieben. Darüber hinaus wird durch ständige Unterweisungen und Belehrungen die Disziplin und Aufmerksamkeit der Bergleute für sicherheitstechnische Belange aufrechterhalten.

 

Der aktuell abzubauende Flöz hat eine Mächtigkeit von 1,4 m. Um unmittelbar vor Kohle im regulären Produktionsbetrieb den Kohlehobel aus nächster Nähe bei der Gewinnung betrachten zu können, mussten die Teilnehmer dort auf Knien unter die Stempel kriechen, bei Arbeitshöhen von tlw. deutlich unter einem Meter. Die immer noch extremen Arbeitsbedingungen konnten ansatzweise nachvollzogen werden. Bei knapp 30° C und über 80% Luftfeuchtigkeit verliert ein durchschnittlicher Kumpel ca. 6-7 Liter Wasser pro Schicht.

 

Vor Kohle arbeitet aktuell ein Team von nur noch 10 Bergleuten, die Steuerung erfolgt ansonsten über den Leitstand über Tage

 

Alle Teilnehmer der Grubenfahrt sind wieder wohlbehalten zurückgekommen und einige hatten sich schon vorsorglich mit ein paar Stücken des „schwarzen Goldes“ eingedeckt. Es war wohl auch allen klar das es nicht mehr möglich sein wird an Grubenfahrten teil zu nehmen da der Bergbau in wenigen Jahren in Deutschland eingestellt wird. Der Bergbau auf Prosper Haniel läuft 2018 aus.

 

 

 

Aufgaben der Markscheiderei

 

Während der ca. dreistündigen Grubenfahrt wurde den über tage zurück gebliebenen Teilnehmern in lockerer Atmosphäre die vielfältigen Aufgaben der Markscheider nahe gebracht. Dabei wurde sehr deutlich, dass die Aufgaben der Markscheiderei weit über die reinen Vermessungsaufgaben hinaus reichen.

 

Wesentliche Aufgaben ergeben sich durch

 

·                     Planung und Genehmigungsverfahren

·                     Ankauf von Grundstücken

·                     Aufstellung des Rahmenbetriebsplanes,

·                     Erstellung und Einreichung der Abbaupläne

·                     Dokumentation der untertägigen Anlagen

·                     Prognosen und Überwachung der Bergsenkung und

·                     Schadenserfassung, Schadensregulierung und Renaturierung

 

 

 

Untertägige Vermessungsarbeiten

 

Die Untertagevermessungen erfolgen nach wie vor über Polygonzüge die durch Kreiselmessungen (von DMT) gestützt werden. Dem Einsatz moderner Messinstrumente sind durch den notwendigen Schlagwetterschutz Grenzen gesetzt. Ein schlagwettergeschützter Laserscanner wurde allerdings von Zoller & Fröhlich unter Mithilfe von Joachim Bock und seinem Team entwickelt, gebaut und erfolgreich eingesetzt.

 

Verformungsmessungen untertage werden auf herkömmliche Weise mit Konvergenzmessbändern gemessen. Übertägige Messungen zur Feststellung von Setzungen und Leitnivellements (alle zwei Jahre) werden konventionell durchgeführt. Dabei werden Setzungsschwerpunkte mit GPS überwacht.

 

Des Weiteren werden auch im Bergbau die Mittel der moderne der Informationstechnik und Datenübertragung genutzt. Der Untertagebetrieb ist mit den Übertageeinheiten vernetzt. Es können untertage sämtliche relevanten Informationen auch über Internet abgerufen werden.

 

Auch das gesamte Grubengebäude ist als grafisches Informationssystem (GIS) mit hinterlegten Sachdaten aufgebaut worden. Die Abbaupläne, Gewinnungs- und Sohlrisse, sind digitalisiert und werden turnusmäßig aktuell alle 3 Monate dem Bergamt elektronisch übermittelt Sie sind an den Blattschnitt der DGK 5 angelehnt und im II. Streifen des Gauß-Krüger- Systems abgebildet.

 

 

Aufstellen Rahmenbetriebsplan

 

Zum Abbau von Kohle ist es notwendig einen Betriebsplan zu erstellen, öffentlich auszulegen und genehmigen zu lassen. Dazu wurde bereits im Vorfeld des Rahmen-Betriebsplanes (gilt für mindestens 20 Jahre) ein räumliches Funktionskonzept erstellt in dem u.a. Gelände- und Wassermodelle integriert sind. Grundlage sind die zu beantragenden Abbaubetriebe und deren Auswirkungen an der Geländeoberfläche.

 

 

Monitoring Bergsenkungen

 

Ein wesentlicher Teil der markscheiderischen Tätigkeiten ist die Prognose von Bergsenkungen sowie deren Feststellung und Überprüfung stellt Uwe Hagmans deutlich heraus. Der Einflussbereich des Kohleabbaus ergibt bei einem Grenzwinkel (z. B. 60°) den Nullrand oder Nulllinie an der Tagesoberfläche. Daraus wird das Konzept für die Überwachung der Bergsenkungen abgeleitet. Nach einen Änderungsbescheid zum Rahmenbetriebsplan im Jahre 2012 wurde der Betrachtungsraum um 1 km rings um das Abbaugebiet erweitert, um Anwohnerbedenken Rechnung zu tragen.

Grundsätzlich wurde festgestellt, dass ein Großteil der Senkungen im ersten Halbjahr nach dem Abbau auftreten und nach 1,5 bis 5 Jahren gänzlich abklingen. In diesem Zeitraum werden an sensiblen Gebäuden und Bereichen laufend Kontrollmessungen durchgeführt. Weiterhin werden durch Nivellementslinien vom Rand zum Zentrum des Bergsenkungsgebietes die Ausdehnung der Setzungsmulde und die Geschwindigkeit der Senkungen überprüft.

 

 

 

 

Umweltschonender Bergbau

 

Die Markscheiderei ist auch mit Aufgaben der Renaturierung im Bergsenkungsgebiet befasst. Joachim Bock hat während einer übertägigen Informationsfahrt durch das Abbaugebiet die Einflüsse der Bergsenkungen und die Maßnahmen zu einem Ausgleich an der Oberfläche erläutert. Dies betrifft die Gewässerverlegung, das Anlegen von gezielt erzeugten Senkungsseen und Biotopen. Dammbaumaßnahmen und Spundwandsicherungen gehören auch zu diesen Arbeiten. Viele dieser Maßnahmen sind bereits endgültig, einige temporär und werden entsprechend dem Abbauverlauf angepasst. Um diese Maßnahmen durchführen zu können wurden schon im Vorfeld viele Grundstücke von den Eigentümer erworben um sie dafür bereitstellen zu können. Verhandlungen dazu war auch eine der interessanten Aufgaben des Markscheiders und machte deutlich, dass der Markscheider einer der wichtigsten Ansprechpartner für die Menschen in den betroffenen Gebieten ist.

 

Viele Geschichten über seine Erlebnisse während seiner über 20-jährigen Zeit auf dieser Zeche hat der Markscheider Bock auf dieser interessanten Fahrt zum Besten gegeben, wir denken dabei u.a. an die Gefährdung eines Genehmigungsverfahrens durch den hier nicht heimischen blauen Ameisenfalter.

 

Abschließende Betrachtung

 

Nachdem die Untertagebesucher geschafft aber recht beeindruckt mit Uwe Hoelting wieder ans Tageslicht erschienen waren und die Übertagetruppe informiert durch Georg Hagmans und Herrn Bock über die vielschichtigen Aufgaben der Markscheiderei wieder zusammen gekommen waren ergab sich noch eine abschließende Diskussion.

 

Am eindrucksvollsten war, dass sich trotz der bestehenden Tatsache der baldigen Schließung des Bergbaus (31.12.2018) keinerlei Endzeitstimmung merken ließ. Es war erstaunlich mit welchem Engagement und Pragmatismus Markscheider Joachim Bock (*) die sicher nicht einfache Situation angeht. Das gilt für die Rekrutierung und Motivation neuer Mitarbeiter in der Markscheiderei ebenso wie für die Darstellung des Bergbaues in der Öffentlichkeit und bei den Beteiligten im Umfeld.

 

Er hat einige Kernsätze seiner Einsichten und Vorgehensweisen vorgetragen, die man wohl als vorbildlich bezeichnen muss und die hängen geblieben sind.

1.            Im Vorfeld der Abbaumaßnahmen müssen alle Parteien (Betroffenen) mitgenommen werden.

2.            Nur die transparente Darstellung aller Arbeiten kann zu einem Interessenausgleich zwischen den Parteien (Betroffenen) führen.

3.            Er hat sich zur Aufgabe gemacht keine Schäden in Natur und Umwelt zu hinterlassen wenn der Bergbau abgeschlossen ist

Er hat auch nicht vergessen sein Team zu loben die mit ihm an einem Strang ziehen um in diesem Sinne zu wirken.

 

 

Für die beeindruckende Vorstellung der Kollegen von der Schachtanlage Prosper 10 bedanken wir uns bei unseren Gastgebern mit einem recht herzlichen Glückauf!

 

 

 

(*) Markscheider Joachim Bock ist stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Markscheider-Vereins DMV, siehe: http://www.dmv-ev.de/organisation/vorstand.html