Führung durch die neue Hauptfeuer- und Rettungswache in Mülheim an der Ruhr am 20.9.2012)
Feuerwehrmann, ein interessanter Beruf mit guter Perspektive auch für Vermessungsingenieure.
Während seiner aktiven Tätigkeit bei der Stadt Mülheim hatte Michael Kilian den Diplomanden Steffen Dannenberg betreut, dessen Diplomarbeit in der Entwicklung einer GIS Anwendung für die Feuerwehr bestand. Ziel war ein schneller Zugriff auf die für Rettungseinsätze relevanten Daten, wie Lage der Versorgungsleitungen uvm. (Diese Anwendung befindet sich im Rahmen einer zweiten Diplomarbeit in der Weiterentwicklung, so dass man übereinkam, sie wegen der zunehmenden Komplexität Ende 2013 im Rahmen einer speziellen GIS Veranstaltung vorzustellen.)
Nach Abschluss des Studiums fand Steffen Dannenberg als Vermessungsingenieur bei der Berufsfeuerwehr seine Lebensstellung. So waren die Weichen für eine interessante Insider-Veranstaltung optimal gestellt.
Planung und Neubau
Nachdem die alte Feuerwache an der Aktienstraße den gesetzlichen Anforderungen nicht mehr gerecht wurde, ergaben Gutachten, dass wegen der Teilung Mülheims durch die Ruhr der Bau von zwei Feuerwachen erforderlich war, um die gemäß „Schutzzieldefinition nach AGBF“ geforderte „Hilfsfrist“ von 8 Minuten für das gesamte Stadtgebiet einhalten zu können.
So wurde als erste Maßnahme im Jahre 2005 rechts der Ruhr in Mülheim Heißen die neue Feuerwache 2 fertig gestellt. Fünf Jahre später folgte links der Ruhr die Hauptfeuer- und Rettungswache. Mit bestmöglicher Verkehrsanbindung sowohl über die Duisburger als auch über die Xantener Straße, entstanden auf dem ehemaligen Bahngelände „An der alten Dreherei“ großzügige, funktionale Betriebsgebäude mit ca. 19.000m² Nutzfläche.
Finanzierung mit Überraschung
Da Mülheim, wie die meisten Kommunen in den alten Bundesländern, so hoch verschuldet ist, dass es zunehmend schwieriger wird, notwendige Investitionen aus eigener Kraft zu finanzieren, suchte man einen Ausweg und fand ihn in einem PPP Modell (Public Private Partnership). Investoren, zu denen auch die Sparkasse Mülheim gehört, gründeten eine Gesellschaft, die Bau und Finanzierung übernahm und die fertige Feuerwache über langfristige Verträge an die Stadt Mülheim vermietet.
Bei Abschluss solcher Verträge glauben alle Partner, dass sie den bestmöglichen Weg gewählt haben. Die Investoren sind da bereits den entscheidenden Schritt weiter, seit dem überraschenden und vor allem profitablen Verkauf der Feuerwache an einen in Hannover ansässigen Immobilienfonds wissen Sie es. Dass diese Transaktion bei den Verantwortlichen der Stadt Mülheim keine Begeisterungsstürme ausgelöst hat, überrascht nicht wirklich. Mit einer freiwilligen Millionenspende an gemeinnützige Mülheimer Einrichtungen sollen die Wogen nun geglättet werden (Quelle s. Internet).
Arbeitsplätze
Diese „Störgeräusche“ haben aber offensichtlich keinen Einfluss auf die Zufriedenheit der Feuerwehrleute mit ihren neuen Arbeitsplätzen. Mit großem Engagement beschrieb Steffen Dannenberg Struktur und Aufgaben „seiner“ Feuerwache. Neben Einsatzbereitschaft und Kameradschaft spielen körperliche und geistige Fitness eine entscheidende Rolle. So kann nicht nur die Rettung Verletzter aus brennenden Gebäuden unter schwerem Atemschutzgerät eine physische Herausforderung sein, auch die psychische Beanspruchung bei der Bergung von schwerstverletzten Unfallopfern ist nicht zu unterschätzen.
Wer die anspruchsvollen Eignungstests besteht, bekommt bei der Berufsfeuerwehr die Chance auf eine Lebensstellung mit Beamtenstatus, ungewöhnlicher Arbeitszeit und stark ausgeprägter Kameradschaft. Die Einsatzkräfte sind jeweils 24 Stunden am Stück im Dienst, da lernt man die Kollegen als Menschen kennen. Kantine, Küche, Sporteinrichtungen und Ruheräume stehen zur Verfügung. Dem Vernehmen nach soll die seit Jahrzehnten bewährte Arbeitszeit aber mit irgendwelchen EU Richtlinien kollidieren. Da ist zu hoffen, dass dieses Problem denselben Weg gehen wird, wie vor ein paar Jahren die Vermarktungsnormen für Salat-Gurken.
Üblicherweise lernen alle Mitarbeiter alles von der Pike an, d.h. jeder Kollege kann jede Aufgabe übernehmen, (ausgenommen sind nur einige Spezialisten wie z.B. Taucher und Desinfektoren). Für realitätsnahes Training steht ein gasbetriebenes Brandübungshaus mit Brand- und Nebelanlage zur Verfügung. Auf drei Etagen bereiten sich hier die Feuerwehrleute auf den harten Einsatz vor.
Mitarbeiter
Insgesamt beschäftigt die Berufsfeuerwehr ca. 240 Mitarbeiter. Nicht zuletzt die hohen körperlichen Anforderungen sind wohl der Grund, dass nur 6 davon weiblich sind. Des Weiteren sind 68 Mitglieder der im Aufbau befindlichen „Freiwilligen Feuerwehr“ in die Organisation einbezogen sowie ca. 20 Jugendfeuerwehrleute.
Aufgaben:
Brandschutz, Rettungsdienst, Zivil- und Katastrophenschutz sowie allgemeine Hilfeleistungen, das sind die wichtigsten Aufgaben der Feuerwehr. So wird auch geholfen, wenn eine Wohnungstür zuschlägt und die Bratpfanne unbeaufsichtigt auf dem Herd brutzelt oder ein Kind allein in der Wohnung eingeschlossen ist.
Neben den Lösch- und Rettungseinsätzen ist die Feuerwehr bekannt für ihre qualifizierten Handwerksbetriebe. Hier werden u.a. die 84 Fahrzeuge und das Einsatzgerät gewartet, repariert und TÜV abgenommen. Außer Schlosserei und Schreinerei findet man eine Schneiderei, eine Schlauchwerkstatt, eine Atemschutzwerkstatt sowie eine Spezialeinrichtung für die Desinfektion von Fahrzeugen nach Transport von Patienten mit ansteckenden Krankheiten. So sind die Feuerwehrleute auch außerhalb Ihrer Einsätze mit sinnvoller Arbeit ausgelastet.
Für den Katastrophenfall befinden sich in der Feuerwache Räume für eine Stabsstelle zur Koordinierung von Großeinsätzen. Des Weiteren wird eine Feuerwehr- und Rettungsdienstschule, auch für externe Teilnehmer, betrieben.
Einsätze
Bei der Leitstelle der Feuerwehr in Mülheim gehen jährlich ca. 80.000 Notrufe ein. Daraus resultieren ca. 30.000 Einsätze von denen es sich „nur“ bei 743 um Brandalarme handelt.
Dank der neuen Wachen werden 90% der Einsatzstellen in max. 8 Minuten erreicht.
Fahrzeuge
Die Einsatzfahrzeuge stehen abfahrbereit in der großen Fahrzeughalle. Zur Optimierung der Ausrückzeit werden die Bremsanlagen mit Druckluftschläuchen permanent auf Betriebsdruck gehalten und zum Schutze der Mitarbeiter sind die „Auspuffrohre“ mit Schläuchen verbunden über die der Kaltstartqualm abgesaugt wird. Auf Navigationssysteme kann man verzichten; die Mülheimer Feuerwehrleute haben ihr Revier und seine Besonderheiten offenbar bestens im Griff.
Alarmbereitschaft
An jeder Feuerwache befindet sich ein kompletter Löschzug mit 10 Einsatzkräften in Alarmbereitschaft. Dazu gehören außer dem Fahrzeug der Einsatzleitung ein Löschgruppenfahrzeug, eine Drehleiter, ein Tanklöschfahrzeug, ein Rettungswagen sowie ein Notarztfahrzeug.
Dieser große Bahnhof mag manchmal übertrieben erscheinen, ist aber sicherlich sinnvoll. Erfahrungsgemäß sind die ersten Minuten am Einsatzort entscheidend für den Erfolg. Man muss auf alles vorbereitet sein und es muss schnell gehen. Innerhalb 1 Minute nach dem Alarm rückt die Feuerwehr aus. Bei der Ausfahrt wird die Ampelschaltung in der näheren Umgebung angepasst, so dass die Fahrzeuge ohne Martinshorn bei „Grün“ auf die öffentlichen Straßen fahren können.
In seiner Präsentation, die von den gut verständlichen Durchsagen der Leitstelle realistisch untermalt wurde, vermittelte Steffen Dannenberg einen hervorragenden Einblick in die Arbeit der Feuerwehr. Für diese interessante und engagierte Führung möchte sich der VDV Bezirk Essen noch einmal ganz herzlich bedanken. Mit großem Interesse sehen wir der für das nächste Jahr geplanten Vorstellung der GIS Anwendung entgegen.