Baustellenbesichtigung: Mehr Mobilität für Düsseldorf - Die Wehrhahn-Linie
Bereits im März 2009 nahm der Bezirksvorzitzende Dipl.-Ing. (FH) Adalbert Nagel den ersten Kontakt bez. einer Baustellenbesichtigung im Zuge der neuen Wehrhahn-Linie mit einem Mitarbeiter des FB Brücken-, Tunnel- und Stadtbahnbau der Stadt Düsseldorf auf. Für eine Besichtigung der Tunnelarbeiten im Baulos 1 Süd-Ast sei es noch zu früh, hieß es damals. Nach erneuter Anfrage bei der Projektleitung Wehrhahn-Linie Ende Mai 2010 kristallisierte sich dann langsam aber sicher ein Besichtigungstermin heraus. Eine endgültige Mitteilung erhielten wir schließlich am 19.07.2010: Wir einigten uns auf eine Besichtigung am 17. August 2010 um 14 Uhr mit TP im Büro des Projektteams.
Da der Bezirksvorstand mit einer Teilnahme von mindestens 12 - 15 Personen gerechnet hat, verzichteten wir also im Vorgespräch mit dem Projektleiter auf eine Besichtigung der TBM (Tunnelbohrmaschine), da eine Aufteilung auf 3 Gruppen zu zeitintensiv gewesen wäre. Schade! Aus Sicherheitsgründen ist eine Gruppe auf 5 Personen reduziert, so erklärte es der Projektleiter Herr Dipl.-Ing. Gerd Wittkötter. Spätestens am Besichtigungstag,
einem wolkenverhangenen Dienstag, hatten wir neue Erkenntnisse und freuten uns schon diebisch auf eine „Welt im Tunnel“, denn es hatten (leider) nur 5 Ingenieure zu der Besichtigung Interesse gezeigt. Aber das ist ein anderes Thema.
Nicht wie üblich in einem Baucontainer untergebracht, „fanden“ wir das Büro des Projektteams Wehrhahn-Linie in der Heinrich-Heine-Allee 37, inmitten einer Geschäftshauszeile im 1. OG. Freundlicher Empfang durch die Dame im Sekretariat Frau Ferrenberg und den Projektleiter Herrn Dipl.-Ing. Gerd Wittkötter. Eine Antwort auf unsere diebische Vorfreude „dürfen wir jetzt mit doch nur 5 Personen in die Unterwelt?“ hatte Herr Wittkötter bereits in einem letzten Check kurz vor dem Termin gegeben. Das ginge jetzt so kurzfristig nicht aus technischen Gründen (Wartungsarbeiten an der TBM, auch TVM = Tunnelvortriebsmaschine genannt). Im Laufschritt wurden die Baustellenbereiche „abgearbeitet“.
Vortrag
Der Vortrag „Die Wehrhahn-Linie“ gliederte sich in: Planung, Bauausführung und architektonische Gestaltung.
Anschließend sollte eine oberirdische Baustellenbesichtigung erfolgen: U-Bahnhof Heinrich-Heine-Allee, Startschacht TVM Corneliusplatz, U-Bahnhof Schadowstraße inkl. Kö-Bogen und U-Bahnhof Benrather Straße.
Im Hinblick auf die vermessungstechnische Leistung konnte der Bez.-Vorsitzende kurzfristig über Herrn Dipl.-Ing. Werner Höhn von der Baufirma Bilfinger Berger und Herrn Dipl.-Ing. Markus Federmann, intermetric GmbH den Vermessungsingenieur Herrn Dipl.-Ing. (FH) Oliver Höpfer, Fa. intermetric Ges. für Ingenieurvermessung und raumbezogene Informationssysteme mbH mit Sitz in Stuttgart, gewinnen.
1973 begann an der Fischerstr. der erste U-Bahn-Bau. Mit dem neuen Projekt „Wehrhahn-Linie“ beginnt die Ära einer zweiten großen City-Unterfahrung. Hiermit wird das Zusammenspiel von Individualverkehr einerseits und ÖPNV andererseits wesentlich gesteigert. Die neue City-Unterführung verbindet die östlichen und südlichen Stadtteile mit dem Stadtzentrum, wobei der heutigen Station „Heinrich-Heine-Allee“ eine wesentlich höhere Priorität zukommen wird (Bild 11). Ein weiteres Novum ist der Wegfall der Straßenbahnlinien 703, 712 und 713. Die neu geschaffene Trasse nimmt nach Planungen der Rheinbahn AG die U 71, U 72 und U 73 auf. So ergibt sich eine neue, attraktive Nutzung des oberirdischen freien Straßenraumes. Die neuen 8-achsigen Untergrund-
Niederflurwagen (Typ NF8U) unterscheiden sich von den alten Wagen dadurch, dass mit ihnen ein ebenerdiges Ein- und Aussteigen verbunden ist. Die Bahnsteighöhen S-Bahnhöfe Wehrhahn und Bilk werden entsprechend den neuen U-Bahnhöfen auf 0,25 m umgerüstet. Hervorzuheben sei noch die zukünftige schnelle Anbindung des südlichen Stadtzentrums mit dem gerade entstehenden neuen Stadtviertel „Le Quartier Central“ (LQC) auf dem Gelände des alten Derendorfer Güterbahnhofs. Eine Vision von französischer Lebensart soll Wirklichkeit werden. Dort zwischen Pempelfort, Derendorf und der Zooregion werden eines Tages Menschen ganz nach französichem Vorbild arbeiten, wohnen und leben. Ein urbaner Mix aus Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Freizeit vermittelt Kreativität sowie Spontanität. Es wächst was zusammen.
Für die Entwurfsplanung wurde eine eigens für dieses Großprojekt kreierte Ingenieurgemeinschaft Wehrhahn-Linie (IGW) installiert.
Im Vorfeld der entsprechenden Bauausführungen ist eine europaweite Ausschreibung Plicht. Außer den Bau-
tätigkeiten gehören hierzu auch städtebauliche Beratungen, Gutachten zu Schallentwicklung, Brandschutz, Organisation der Haustechnik sowie die Gestaltung des Umfeldes der neuen U-Bahnhöfe. Alle Arbeiten, die Ausschreibung, Prüfung der Angebote, Vergabe, Bauüberwachung (bau- und vermessungstechnisch) und Bauabrechnung betreffen, bedürfen einer straffen Organisation des Projektteams und dessen Verantwortliche. Das Kernteam besteht aus eigenen Mitarbeitern der Landeshauptstadt Düsseldorf. Sie sind dem Amt für Verkehrsmanagement unterstellt. Die Leitung des Projektes Wehrhahn-Linie wird also von dem externen Experten Herrn Dipl.-Ing. Gerd Wittkötter (Bild 1) übernommen. Mit ihm konnte die Stadt Düsseldorf einen erfahrenen Fachmann des Tunnel- und Tiefbaus gewinnen. Herr Wittkötter hat in der Vergangenheit maßgeblich an der Erstellung der Großprojekte „Rheinufertunnel“ und „Flughafenknoten “ mitgewirkt. Dies erklärte er uns u. a. in einem kurzen Abriß über seinen beruflichen Werdegang.
Die ca. 3,4 km lange Neubaustrecke gliedert sich in die Abschnitte Süd-Ast (Baulos 1) mit der Anbindung an den S-Bahnhof Bilk und den neuen U-Bahnhöfen Kirchplatz und Graf-Adolf-Platz, Bereich Mitte = Unterfahrung Kaufhaus (Los 2) mit den U-Bahnhöfen Benrather Straße und Heinrich-Heine-Allee, sowie dem Ost-Ast (Los 1) mit den U-Bahnhöfen Schadowstraße und Jacobistraße/Pempelforter Straße und der Anbindung an den S-Bahnhof Wehrhahn. Also insgesamt 6 unterirdische und 2 oberirdische Bahnhöfe werden neu entstehen. Die Gestaltung dieser Bahnhöfe hat man Künstlern und Architekten überlassen. Das Ergebnis, so sagen die Experten, soll quasi eine Art Visitenkarte für die Landeshauptstadt darstellen. So wurde ein internationaler Architektenwettbewerb ausgeschrieben. Rein bauliche Vorgaben traten in den Hintergrund, betonte Herr Wittkötter.
Bereits 1997 wird die Wehrhahn-Linie im ÖPNV-Bedarfplan des Landes NRW eingestellt. Der Verkehrsausschuß des Landes gibt 2001 vor, netto nur 640 Mio DM für die Kernstrecke bereitzustellen. Im Laufe der folgenden Jahre wir ständig an den Baukosten gepfeilt, auch um dem Projekt einen gewissen Schub zu geben. Einerseits muß man auf Extravagantes verzichten, andererseits kann man sich den neuesten Technologien auf dem Bausektor nicht verschließen, was gleichzeitig aber Mehrkosten verursacht. 2007 schließlich fast die Bezirksregierung Düsseldorf den Planfeststellungsbeschluß. Im November erfolgt der “erste Spatenstich“, d. h. die zahlreichen Vorarbeiten des Großprojektes können beginnen. Baustelleneinrichtungen, Baufeldräumung soweit erforderlich, das Baufeld nach Munitionsresten absuchen, etc. Jetzt beginnen auch die Erkundungen der vielen eng beieinander liegenden Versorgungsleitungen. Eindeutige Bestandsunterlagen sind wie immer rar. Früher hieß das Motto „bauen und fertig“. Ein Teil der Versorgungsleitungen wird nur vorläufig umverlegt um den Aushub an den Stationen nicht zu behindern. Danach erfolgt die Rückverlegung in den Bereich der U-Bahn-Trasse.
Nach Eintreffen der TBM-Teile am 06.11.2009 in Düsseldorf-Bilk am Startschacht kann die Endmontage am 17.11. beginnen. Das Ungetüm namens „Tuborine“, von der Fa. Herrenknecht in Schwanau (Baden) für Düsseldorf konstruiert und gebaut, weist eine Länge von 65 m und ein Gewicht von 1.300 to auf. Das Schneidrad hat einen Durchmesser von 9,5 m. Im Vergleich hierzu die TBM im Eurotunnel Frankreich/England (1988-1991): Länge 13 m, Gewicht 1.200 to, Schneidrad-Durchmesser 8,72 m. Im März 2010 konnte die Tuborine nach ca. 4 Monaten Montage vor Ort ihre Schildvortriebsarbeiten aufnehmen. Ca. im November 2010 wird die TBM nach ca. 8 Monaten und 1.310 m Auffahrlänge, wobei die bereits ausgehobenen U-Bahnhofsgruben durchquert werden, den Bereich des U-Bahnhofes Benrather Straße erreicht haben (Zielschacht an der Kasernenstr.). Das gigantische Schneidrad wird dort geborgen und nach Wartung zum Cornelius-Platz transportiert. Der „Rest“ der Maschine, das wären ca. 60 m, wird durch die fertige Röhre zum Startschacht zurückgezogen, demontiert und nach Wartung ebenfalls zum Cornelius-Platz transportiert. Nach erneutem Zusammenbau aller Maschinenteile frißt sich die „frische“ Tuborine im 2. Vortrieb gen Wehrhahn und erreicht diesen laut Zeitplan 2012. Mittels dieser modernen Technologie, verhältnismäßig günstiger geologischer Verhältnisse bei einer max. Sohltiefe von 22-23 m und einem Intelligenten Baumanagement (Bauen unter voll aufrecht erhaltener oberirdischer Verkehrsführung im Baubereich) ist ein kosten- und zeitsparendes Bauen bei höchster Auffahrgenauigkeit möglich. Der übertägige Straßenbahnverkehr geht bis zum Bauende weiter. Lediglich im Bereich der neuen U-Bahnhöfe ändert sich häufig und kurzfristig die Baustellenverkehrsführung. Darauf hat sich der Verkehrsteilnehmer einzustellen. Für Geschäftsleute, die Probleme anderer Art hinnehmen müssen, kann es bei entsprechendem Nachweis Gewinnausfall-Entschädigung geben. Die übrigen Anlieger werden wohl „leer“ ausgehen.
Geduld für Verkehrsteilnehmer und Geschäftsleute
Bei dem Süd-Ast rechnet man mit einer Fertigstellung von Tunnel und U-Bahnhöfen bis zum Jahr 2013. Parallel zu diesem Ausbau wird der Bereich Mitte um den neuen Bahnhofsteil ergänzt und an das bestehende U-Bahn-Netz bzw. den U-Bahnhof Heinrich-Heine-Alle angeschlossen. Als 1983 die West-Ost-Linie gebaut wurde, hatte man bereits die Nord-Süd-Linie im Hinterkopf und kostenintensive Anschlüsse von je mehr als 100 m nach Nord und Süd 20 m im Rechteckprofil unter dem bestehenden Bahnhof mitgebaut. Dieser vorausschauende Blick in die weite Zukunft, also 30 Jahre später, sollte sich aber als Trugschluß erweisen. Heute bereitet dieser vorgezogene Ausbau wegen des Querschnittes erhebliche Umstände. Bei der vermeintlichen Kostenersparnis von damals legt man heute drauf, so Herr Wittkötter. Der Ost-Ast wird im Jahr 2014 fertiggestellt sein. 2014 ist auch das erklärte Ziel der Fertigstellung der Wehrhahn-Linie mit aller Ausstattung. Dann sollen die ersten Bahnen rollen. Erreicht werden kann dieses Ziel nur über den gleichzeitigen Ausbau von Tunnelröhren, U-Bahnhöfen und den beiden oberirdischen Haltestellen im Stadtgebiet. Auch an einen Ausbau ab Haltepunkt Bilk nach Süden wurde bereits bei diesem Projekt nachgedacht. Weiterbau vielleicht dann, wenn sich die Finanzsituation in der Landeshauptstadt erholt hat!
Die geniale Deckelbauweise
In seiner Präsentation erklärt Herr Wittkötter auch eindrucksvoll das Prinzip der Deckelbauweise im Rahmen des U-Bahnhöfe-Baus. Nach Baufeldräumung werden zunächst auf einer Bahnhofsseite eine Schlitzwand und eine Primärstütze für die Aufnahme des stärker dimensionierten Teildeckels erstellt. Die Schlitzwand, bis zu 40 m in die Erde reichend (weit unter dem Grundwasserspiegel) reicht weit ins Tertiär (Jungtertiär) hinein, ebenso die Stütze. Wir erinnern uns aus dem Geologieunterricht: Tertiär ist eine Erdformation mit einer Gesamtmächtigkeit von rund 2.250 m. Wir bewegen uns im oberen Teil, dem Jungtertiär, der vor ca. 25 Mio Jahren entstanden ist. Die Ablagerungen bestehen meist aus lockeren Sanden und Tonen oder verfestigten Kalken sowie Quarziten. Es folgt der Aushub für das Gießen des oberen Teildeckels (Bilder 8 u. 9) bis zur Grenze des derzeitigen Fahrdammes für Auto und Straßenbahn. Nach Erledigung der Betonarbeiten sowie Verfüllung und neuem Fahrdammaufbau wird hierauf der Verkehr umgelegt (Bild 7) und es wiederholt sich der oben beschriebene Vorgang. Die Decke des neuen Bahnhofs ist also geschlossen. Ist auch diese Baugrube mit Erdreich verfüllt, wird der Verkehr ein drittes Mal in seine endgültige Lage „umgebettet“. Während sich die „oberirdischen Menschen“ über den Sinn und Unsinn der ständigen Verkehrsverlagerungen hinreichend Gedanken machen, bewegen sich Bau- und Vermessungsingenieure bereits „unter Tage“ und sorgen für einen schnellen Aushub unter dem Deckel. Die Zeit drängt zum Ausbau des Bahnhofs.
Jedes Projekt braucht ein besonderes Schmankerl: Die Vereisungstechnik
Gemeint ist hiermit die Unterfahrung des „Kaufhof an der Kö“. Das ist ein altehrwürdiges Geschäftshaus an Düsseldorfs Prachtstraße, der Königsallee (Kö). Es ist für jeden Bauingenieur geradezu eine besondere Herausforderung, ein solches Prestige-Objekt nicht in „Schieflage“ zu bringen. Und eine U-Bahn-Trasse hat nun mal andere Trassierungselemente als eine gewöhnliche Stadtstraße. Also wird das Gebäude mal kurz tangiert. Die Auffahrung der Röhre soll im klassischen, bergmännischen Verfahren ausgeführt werden, so hat sich die ausführende AG entschieden. Wegen der geringen Sohltiefe der zu schaffenden Röhre unterhalb des Kaufhofes kam nur eine Bodenvereisungstechnik infrage, die zum einen nur geringe Gebäudesetzungen versprach, zum anderen aber auch das unerwünschte Grundwasser zum Erfrieren bringt (Bild 2). Eingebracht werden 120 horizontale Gefrierrohre von je 75 m Länge. Parallel sowie senkrecht zu diesen Rohren werden in separaten kleiner dimensionierten Rohren Temperaturfühler angeordnet. So werden Frostkörper für den Mittelstollen und die beiden Seitenstollen hergestellt (Bild 3). In das Gefrierrohrleitungssystem wird eine 30%ige Sole mit einer Temperatur von -35° C gepumpt. Der aufzufahrene Tunnel wird in einer Aufgefrierzeit von ca. 60 Tagen mit einem ca. 2,50 m starken Frostmantel umgeben. Der Vortrieb verbindet die östl. Schlitzwand-Startbaugrube (Kö/Corneliusplatz) mit der Zielbaugrube Theodor-Körner-Str./Heinrich-Heine-Allee (westl. Seite). In der Präsentation wurde dieses Verfahren exemplarisch dargestelllt. Mittel- und Seitenstollen werden nacheinander aufgefahren. Nach Fertigstellung von Tunnelröhre und Innenschale des Bauwerkes U-Bahnhof Heinrich-Heine-Allee (wasserdichte Verbindung) werden die Gefrieraggregate abgestellt.
Die Vereisungstechnik ist im Grunde keine neue Technologie. Sie wurde bereits vor mehreren Jahrzehnten im Steinkohlebergbau bei Schachtabteufungsarbeiten angewendet. So auch bei der Abteufung des Schachtes 9 (Zentralschacht) der Zeche Rheinpreußen AG für Bergbau und Chemie in Moers. Sicherlich ist sie jetzt ausgreifter. Ebenfalls die elektronische Überwachungstechnik (darüber im verm.-techn. Teil).
Streckenausbau im altbewährten Verfahren: Die Tübbing-Technik
In Verbindung mit der Schildvortriebstechnik, die seit nunmehr 140 Jahren im Tunnelbau ihre Anwendung findet,
wird zur Aussteifung der Röhren selbstverständlich in Düsseldorf der einschalige Tübbingausbau ringweise angewendet. Ein Ring besteht aus 7 Tübbings und einem Schlussstein. Der Tübbing hat folgende Maße: Länge 4 m,
Breite 1,5 m und eine Stärke von 0,45 m. Mit der stählernden Bewehrung hat er ein Gewicht von 6,5 to. Er wird
mit der höchst präzisen Genauigkeitstoleranz von 0,3 mm im Betonwerk Nievenheim bei Neuss gefertigt. Die temporären Ringe, etwa 300 an der Zahl, werden in den Bahnhofsbereichen von der TBM eingebaut. Beim Ausbau der Bahnhöfe werden sie wieder entfernt. Da sie also nur kurzzeitigen Belastungen standhalten müssen, werden sie nicht mit einer Stahlarmierung versehen, sondern bestehen aus Stahlfaserbeton. Der lichte Ringdurchmesser beträgt innen 8,30 m. Für den weiteren Vortrieb stützt sich die Schildvortriebsmaschine auf den letzten Ring ab.
Kunst am Bau: Die nordrhein-westfälische Metropole will glänzen
Eine Gute Visitenkarte abgeben bei der Gestaltung der neuen U-Bahnhöfe, so lautete die Devise der Verantwortlichen vor Beginn aller Planungen. So stand die künstlerische Gestaltung mehr im Vordergrund als bautechnische Raffinessen. Das Klischee einer dunklen Röhre mit tristen Bahnhöfen, die ausschließlich dem schnellen Ein- und Aussteigen dienen sollen, gehört der Vergangenheit an. Düsseldorf wagt einen weiten Blick in die Zukunft. Man spricht von „unterirdischen Inszenierungen“, die zum „Verweilen einladen“ sollen, die die oberirdische Lärmkulisse vergessen machen sollen. Ein ausgewähltes Team von jungen Künstlern wurde dazu angagiert, die hochwertigen Fassadenverkleidungen so zu gestalten, dass die Fahrgäste Alltag und Hektik abstreifen und für eine Weile von der künstlerischen Gestaltung der Farbenspiele, Muster und Beleuchtungsideen fasziniert sind. Man lädt gerne die internationale Welt ein und man möchte mit der „wunderbaren U-Bahn-Welt“ gerne mit anderen deutschen Großstädten in Konkurrenz treten können. Kein U-Bahnhof wird dem anderen gleichen. Durch Spezialbeschichtungen sind die Wände weitestgehend vor unliebsamen Sprayern geschützt. Lassen wir uns überraschen, fügt Herr Wittkötter in Erwartung einer raschen Fertigstellung hinzu.
Baukosten und Kostentäger
Die Kostenveranschlagung liegt nach dem Stand von November 2007 bei 650,5 Mio Euro. Mehrkosten sind im Rahmen der Zuwendung nach dem Gemeindeverkehrs- und Finanzierungsgesetz (GVFG) zu beantragen und werden nach Förderungswürdigkeit bei Bund oder Land geprüft. Die Kosten werden von der Stadt Düsseldorf, dem Land Nordrhein-Westfalen und dem Bund getragen.
Pfusch am Bau: Auch in Düsseldorf?
Auf einen Zeitungsartikel von Mai 2010 angesprochen über Pfusch bei den Arbeiten auf den Baustellen für die neue Düsseldorfer U-Bahn-Strecke sagte Herr Wittkötter, dass nach der bisherigen Freilegung der Schlitzwände der künftigen Bahnhöfe keine Unregelmäßigkeiten, wie fehlende Verbindungseisen, festgestellt werden konnten. Es sei auch nicht nach dem jetzigen Stand der staatsanwaltlichen Ermittlungen damit zu rechnen, Weiteres zu entdecken. Herr Wittkötter geht auch davon aus, dass sich die Bauarbeiten durch die Ermittlungen nicht verzögern werden. Genaues weiß man erst Anfang 2011. Grund der Frage waren die Vorkommnisse beim Kölner U-Bahn-Bau, bei dem einzubauende Stahlbügel von Mitarbeitern der Auftragnehmerseite gestohlen wurden. Die Beschuldigten waren auch in Düsseldorf tätig.
Die kleine Gruppe von Vermessungsingenieuren war begeistert von der PowerPoint-Präsentation des Vortragenden, hatte er doch zu allen angesprochenen Themata ein Bildchen, Diagramme und Zahlenmaterial, so dass eine vorgesehene Zeitstunde gar nicht ausreichte, um den gesamten Fragenkatalog der VDV-ler beantworten zu können. Herr H ö p f e r wartete bereits ungeduldig auf seine Vermessungs-Präsentation ebenfalls mittels „PowerPoint“, weil die Vortragszeit längst überschritten war. Der Blick aus dem Fenster ließ für die Baustellenbesichtigung Regen erahnen.
Vortrag: Die Bauvermessung
Im Rahmen einer PowerPoint-Präsentation teilt Herr Dipl.-Ing. (FH) Oliver Höpfer mit, dass die Firma intermetric die Grundlagenvermessungen mit der Schaffung von exakten Bestandsunterlagen für die Planung der WehrhahnLinie in einem ca. 10 km langen und bis zu 200 Meter breiten Streifen bereits im Jahre 2001 ausgeführt hat. Zu Beginn der Baumaßnahme Ende des Jahres 2007 wurden städtische Netzpunkte für Lage und Höhe übergeben. Dieses Festpunktfeld wurde von intermetric für die Baumaßnahme in drei Schritten vorbereitet: Zunächst wurden zusätzliche Festpunkte vermarkt um den Anforderungen der Baustellen jederzeit gerecht werden zu können. Im zweiten Schritt wurde für dieses verdichtete Festpunktfeld als Netz gemessen: die Lage mit modernsten Tachymetern, die Höhe mit Digitalnivellieren als Feinnivellement. Zuletzt wurden neue Koordinaten für die Festpunkte in einer Netzausgleichung ermittelt.
Für alle weiteren Bau- und Vermessungsarbeiten steht seither ein einheitlicher, spannungsfreier Bezugsrahmen zur Verfügung.
Um Deformationen an den Gebäuden im möglichen Setzungsbereich möglichst frühzeitig erkennen und dann durch geeignete Gegenmaßmnahmen wirksam verhindern zu können, wurde ein umfangreiches Überwachungssystem konzipiert und von intermetric realisiert:
An den Gebäuden in der Nähe der Stations- und Tunnelbaumaßnahmen wurde in nicht immer einfachen Abstimmungen mit den Gebäudeeigentümern eine Vielzahl von Höhenbolzen angebracht. Sie werden regelmäßig nivellitisch beobachtet. Die Messintervalle liegen zwischen zweimal täglich und monatlich. Ihre konkrete Dauer richtet sich dabei nach den Vorgaben der geologischen Gutachter und wird in Abstimmung mit ihnen und in Abhängigkeit des Baufortschritts immer wieder an die aktuellen Erfordernisse angepasst.
Im Gegensatz zu diesen Gebäuden wird der Kaufhof an der Kö direkt vom Tunnel unterfahren. Das 80 x 80 m große Gebäude hat eine denkmalgeschützte Fassade (Bild 6). Daher wurde für diesen Bauabschnitt ein besonders schonendes Bauverfahren gewählt, ein eigenes Baulos Nr. 2 eingerichtet und die Bauarbeiten separat vergeben. Die intermetric erhielt auch für dieses Baulos den Auftrag, die äußerst umfangreichen und aufwendigen Vermessungsaufgaben zur Deformationskontrolle in Echtzeit auszuführen.
Das sogenannte Monitoringsystem zur Bauwerksüberwachung besteht beim Kaufhof an der Kö aus zwei unabhängigen, sich gegenseitig plausibilisierenden Teilsystemen:
Das erste Teilsystem ist eine Schlauchwaage im Fundament des Kaufhofs. Zwischen und unter den Regalen der Abteilungen des Untergeschosses – Feinkost, hochwertige Küchenausstattung und feines Porzellan – installierte die intermetric ein aus 3 Messkreisläufen und 120 Einzelsensoren bestehendes Schlauchwaagensystem. Um die Kundschaft der Abteilungen und das wichtige Weihnachtsgeschäft nicht zu stören, mussten sämtliche Arbeiten in den kurzen Nachtschichten zwischen Ladenschluss um 22 Uhr und dem Eintreffen der Putzkolonnen um 6 Uhr erfolgen.
Ausräumen und Abbauen der Regale, Bohren und Schlitzen des Marmorbelages, Einbauen der Sensoren und Verlegen der Leitungen, Abdecken der Schlitze und Bohrungen durch optisch ansprechende Edelstahlformstücke, Säubern der Baustelle, Wiederaufstellen und Einräumen der Regale war jeweils vor 6 Uhr abzuschließen.
Entsprechend zogen sich die Arbeiten über Wochen hin, konnten aber Termingerecht abgeschlossen werden.
Mit dem Schlauchwaagensystem werden auch kleinste vertikale Höhenveränderungen des Fundaments oder der Stützen im Submillimeterbereich und in Echtzeit erfasst und mit einem speziellen Auswertesystem im Webportal der intermetric für Geomonitoring - s.u. - präsentiert. Wird ein vordefinierter Grenzwert überschritten, werden die Entscheidungsträger unmittelbar per SMS bzw. E-Mail benachrichtigt.
Das zweite Teilsystem dient der Überwachung der denkmalgeschützten Fassade. An den der Theodor-Körner-Straße und der Königsalle zugewandten Außenfassaden sind insgesamt 105 Glasprismen mit Taubenschutz angebracht. Sie sind absichtlich so unscheinbar gehalten und farblich auf die Fassade abgestimmt, dass sie von der Straße aus kaum auszumachen sind. Für die Instrumente im Messmonument an der Ecke Theodor-Körner-Straße /Königsallee, sind sie aber klar erkennbare Ziele. Im halbstündigen Rhythmus werden ihre Koordinaten mittels Präzisionstachymeter, gesteuert vom Monitoringsystem der intermetric iGM.NET erfasst. Auch diese Messdaten werden regelmäßig an die Datenzentrale am Stammsitz der intermetric in Stuttgart übertragen und dort ausgewertet. Wie beim Schlauchwaagenmesssystem werden die Ergebnis in Form von anschaulichen Grafiken im Internet einem berechtigten Nutzerkreis präsentiert. Auch hier werden Grenzwertüberschreitungen sofort erkannt und die Entscheidungsträger per SMS informiert.
Mit diesem umfassenden System ist eine vollständige Überwachung der Bauaktivitäten unter Tage gewährleistet.
Die Unterfahrung des Kaufhofs an der Kö erfolgt im bergmännischen Verfahren im Schutze eines Vereisungskörpers. Die Vereisung soll zum einen den Vortrieb gegen das anstehende Grundwasser abdichten, zum anderen die Stabilität des überdeckenden Erdreichs erhöhen. Beim Vereisungsverfahren ist dabei wichtig, erstens die 3D-Position der Vereisungsrohre beim Einbau genau zu steuern und zu kontrollieren und zweitens während der Vereisung die Temperatur des Vereisungskörpers permanent zu kontrollieren um ein Abtauen zu verhindern ohne unnötig viel zu kühlen.
Bei Einbau und Kontrolle der Gefrierrohre wird ein hochpräziser elektronischer Kreiselkompass eingesetzt. Etwa 500 Temperaturfühler kontrollieren den Zustand und die Dichtigkeit des Frostkörpers im Abstand weniger Minuten.
Im Los 1 werden in Bereichen, in denen der Tunnelvortrieb den Gebäudefundamenten sehr nahe kommt, unter den Fundamenten Hochdruckinjektionen zur Stabilisierung eingebracht. Vor Beginn der Bauarbeiten werden an den statisch relevanten Stellen ebenfalls Schlauchwaagensysteme installiert, um so eine Hebung durch die Injektionsarbeiten verhindern bzw. nachweisen zu können. Während der vorsichtigen Abgrabungen und des gesamten Baugeschehens beobachtet das Team um Herrn Höpfer, ob Setzungen einhergehen. Alle Messergebnisse werden vertragsgemäß umgehend der Bauoberleitung und Bauüberwachung zur Verfügung gestellt. Ein Großteil der Kommunikation erfolgt dabei auf modernste Art über den projektbezogenen Webserver der intermetric. In besonderen Fällen und stichprobenartig werden zusätzlich Eigenvermessungen durch die Bauüberwachung vorgenommen.
Die Präsentation von Herrn Höpfer ist verständlich herübergekommen. Unsere vielen Fragen hat er ausführlich beantwortet. Auf ihn und sein Team warten in den nächsten 3 Jahren manch knifflige Vermessungsaufgaben. Die Leistungen sind für die Bauausführungen von großer Relevanz.
Besichtigung der oberirdischen Baustellen (von der Straße aus)
Am Ende haben sich die beiden Präsentationen gut 2 Stunden hingezogen, die doppelte Zeit als geplant. Doch die Zeit verging wie im Fluge. Herr Wittkötter stellt uns Herrn Bauoberleiter Dipl.-Ing. Heinz Schulze vor. Er wird uns das Baugeschehen vor Ort erläutern. Das kleine Grüppchen von 6 Leuten verlässt das Projektbüro. Nieselregen ist angesagt. Statt mit Sicherheitshelm, -jacke und -schuhe ausgerüstet - angesagt: „Besichtigung von der Straße aus“ - begleitet uns der Regenschirm. Im Laufschritt gings vorbei an der Zielbaugrube Theodor-Körner-Str./Hein-rich-Heine-Allee zum Startschacht für die TBM am Corneliusplatz. Dort konnten die Bohrarbeiten für die Gefrierrohre beobachtet werden (Bild 4). Nach Erledigung des Gruppenfotos der VDV-ler (Bild 5) und Erklärungen über die Deckelbauweise an den offenen Baugruben sprach Herr Schulze die Thematik der Leitungsverlegung an. Schon bei der Ausschreibung der Baumaßnahme war dieses Thema sehr diffizil. Um die 100 km Leitungen für Gas, Wasser, Fernwärme und Kommunikation müssen teilweise vorübergehend direkt an die Häuserfronten (Bild 10) verlegt werden. Im Rahmen der Bauphasen können die Leitungen in den Straßenbereich oder den Gehweg zurückverlegt werden. Kanaltrassen sind ebenfalls endgültig aus dem künftigen U-Bahnhofs-bereich nach außen zu verlegen. Es entstehen ca. 4 km neue Kanäle.
Abschließend erfahren wir, dass für die Bauausführung Baulos 1 das Unternehmen Bilfinger Berger Ingenieurbau GmbH und für Los 2 die AG Wehrhahn-Linie Los 2 mit den beiden Unternehmen Wayss & Freytag sowie Bögl Bauunternehmung Gmbh & Co. KG zuständig sind. Mit der Bauvermessung Los 1 und Bauvermessung Kaufhofunterfahrung, w. o. bereits erwähnt, hat die Fa. Bilfinger Berger die Ing.-Ges. intermetric betraut. Die bautechnische Überwachung obliegt der AG Bauüberwachung (5 unabhängige Büros), die vermessungstechnische Überwachung dem Vermessungsteam der Stadt.
Der Vorstand des VDV-Bezirks Duisburg bedankt sich bei allen 3 Vortragenden für die detailierten Ausführungen zum Großprojekt Düsseldorf Wehrhahn-Linie.
Adalbert Nagel