Ein Wochende in der Eifel mit einem verschiedenartigen Programm lockte knapp 20 Teilnehmer nach Heimbach bzw. nach Vogelsang. Nicht alle übernachteten und die Zusammensetzung der Gruppe war an beiden Tagen unterschiedlich, je nach Interessenslage.
Wasserkraft 1905 bis heute: Am Samstag stand das Wasserkraftwerk Heimbach auf dem Programm und am Sonntag die Plateauführung Burg Vogelsang, dazwischen am Abend ein gemütliches Zusammensein für die Teilnehmer, die in Gemünd übernachteten.
Im Obergeschoss des Kraftwerkhauses gab es eine umfangreiche Sammlung von Elektrohaushaltsgeräten aus den Anfängen (ca. 1930) bis in die neuere Zeit zu besichtigen. Manch ein Teilnehmer stand vor Geräten (Küchen- oder Kochgeräten), die er aus seiner Kindheit kannte. Herstellermarken wie Braun, Wega, Dual, Siemens oder Bosch waren geschichtsträchtig zu besichtigen.
Das Wasserkraftwerk Heimbach, gebaut 1905 im Jugendstil, wird über einen fast drei Kilometer langen Stollen aus der Urfttalsperre versorgt. Ein Höhenunterschied von 110 m den das Wasser durch den Stollen rauscht, ist ideal zum Antrieb der Turbinen.
Zwei der historischen Turbinen sowie die Schaltanlagen waren beeindruckende Zeugnisse der Technik.
Gelebte Geschichte: Am Sonntag fuhren wir zur ehemaligen NS-Ordensburg Vogelsang. Die von 1934 bis 1941 durch die Deutsche Arbeiterfront (DAF) errichtete Ordensburg wurde als eine von drei Ordensburgen für den Führungsnachwuchs der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) gebaut und aus Geldern der enteigneten Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände finanziert.
Unter Leitung des Referenten Dirk Küsters verbrachten wir einen eindrucksvollen Vormittag, der mit dem Besuch der Dauerausstellung „BESTIMMUNG: HERRENMENSCH NS-ORDENSBURGEN ZWISCHEN FASZINATION UND VERBRECHEN“ in Forum Vogelsang IP begann. Die Dauerausstellung der NS-Dokumentation Vogelsang zeigt die Hintergründe und Ziele rund um den Bau und den Betrieb der Ordensburg. Herr Küsters vermittelte uns bei unserem Rundgang über das Areal die menschenverachtende Ideologie und Überheblichkeit des Nationalsozialismus, die der Planung und dem Bau der Ordensburg zugrunde lag. An Hand von Originalaufnahmen verdeutlichte unser Referent die Ausmaße und den Größenwahn der ursprünglichen Anlage, die sich nur noch erahnen lassen. Wie die meisten Großbauten der NS-Zeit ist sie nie fertiggestellt worden. Die unter Denkmalschutz stehenden Bauwerke umfassen eine Bruttogeschossfläche von mehr als 50.000 m2 und gelten damit nach den Parteitagsgebäuden in Nürnberg (100 ha) als größte bauliche Hinterlassenschaft des Nationalsozialismus. Viele Bauten wurden von den Nachnutzern erhalten. Aber auch die aus Kriegsschäden resultierende Lücken sind zu erkennen.
1936 begann der Lehrbetrieb auf Vogelsang für die ersten 500 NS-Junker. Die Lehrgangteilnehmer kamen aus ganz Deutschland und waren auf Vorschlag der Gauleitung von Robert Ley ausgewählt worden. Voraussetzung für die Teilnahme der jungen Männer waren erste Bewährungen in der Parteiarbeit, völlige Gesundheit, Militärdienst sowie ein Abstammungsnachweis bis ins 18. Jahrhundert. Die Bewerber mussten zudem verheirate sein, ihre schulischen Leistungen hingegen interessierten nicht. Die Lehrgangsteilnehmer sollten nach ihrer Ausbildung jedes Regierungs- und Verwaltungsamt in Deutschland bekleiden können. Neben dem ideologischen Drill stand morgens und nachmittags Sport auf dem Stundenplan. 1939 mit Beginn des 2. Weltkrieges wurde der Lehrbetrieb eingestellt. Auf Vogelsang sollte die größte Sportanlage Europas entstehen. Heute befinden sich noch eine Schwimmhalle, die dem Schulsport und der weiteren Öffentlichkeit zur Verfügung steht, und Sportanlagen auf dem Gelände.
Auf Vogelsang befanden sich zehn Kameradschaftshäuser für jeweils 50 Junker und weitere vier Hundertschaftshäuser. Geplant war der Bau weiterer Unterkunftshäuser für 2.000 Junker. Ein Teil der ehemaligen Unterkünfte sind erhalten geblieben, die wir beim Rundgang über Vogelsang erblicken konnten. Besichtigt haben wir die ehemalige Burgschänke. In dieser überdimensionierten Wirtschaft wurden allabendlich Saufgelage gefeiert. Die Junker erhielten während Ihrer Ausbildung ein großzügiges Taschengeld, was vermutlich zum Großteil hier verbraten wurde. Die Familien der Junker erhielten ebenfalls eine ausreichende finanzielle Unterstützung. Erhalten geblieben ist auch der ehemalige Hörsaal, der damals Platz für 1.000 Lehrgangteilnehmer bot. Der Saal war nur mit Stühlen bestückt. Eine Ablagemöglichkeit für Papier und mitschreiben war nicht vorgesehen. Alles wurde eingedrillt.
Nach dem 2. Weltkrieg war das Areal als „Camp-Vogelesang“ zunächst britischer, und dann belgischer Truppenübungsplatz. Die Belgier nutzen den ehemaligen Hörsaal als Truppenkino. Seit 2006 ist das Gelände der ehemaligen NS-Ordensburg frei zugänglich und im Jahr 2016 wurde das neue Forum Vogelsang IP mit NS-Dokumentation und Nationalpark-Zentrum Eifel eröffnet. Das ehemalige Truppenkino wurde 2012 als Kulturkino eröffnet. Dieses aus den 50 er Jahren erhaltene Kino, welches wir bestaunen durften, dient auch als Konzertstätte. Die Vorstellung, dass hier einmal an die 1.000 NS-Führungskräfte ausgebildet wurden, wirkte schon ein wenig bedrückend.
Unser Referent Dirk Küsters vermittelte auf eine interessante Art die Geschichte der NS-Gedenkstätte und hat sich auch nach der Führung noch viel Zeit für unsere Fragen genommen.
Unser Wochenende in der Eifel klang mit einem gemeinsamen Essen im Gemünder Brauhaus aus. Besonderer Dank gilt Monika Pitzen und Wilhelm Stricker für die Organisation des gelungenen Eifel-Wochenendes.
Text: Nina Hemsteeg, Rolf Bull
Fotos Heimbach: Kurt Andrä, Fotos Vogelsang: Wilhelm Stricker