Die Welt der Schleifer der früheren Jahrhunderte
Der Balkhauser Kotten in Solingen
– wo die Wupper wild woget -
Unter „Kotten“ versteht man in Solingen nicht, wie sonst üblich, eine kleine Bauernbehausung auch Kate genannt, sondern eine Schleiferwerkstätte, die im 16. Jahrhundert auch am Lauf der Wupper entstanden. Die Wassermengen und das Gefälle des Flusses reichten aus, zahlreiche Schleifsteine und Pliestscheiben anzutreiben. Es waren einst die Hauptproduktionsstätten der Solinger Schneidwarenindustrie. In den Kotten am Heimatfluß und an den vielen Bächen entstand der Ruf der Klingenstadt.
Am Freitag, dem 11. Juni 2010 traf sich ein Teil der Mitglieder des Bezirks Bergisch-Land zu einer gut zweistündigen Führung durch den Balkhauser Kotten, um durch das Kustoden-Ehepaar Margret und Engelbert Schmitz viel Wissenswertes, aber auch die ein oder andere Anekdote geboten zu bekommen. Mitgebrachte stumpfe Schneidwaren wurden dort durch den Schleifer Manfred Wietscher wieder in brauchbare Klingen zurückverwandelt.
Der Balkhauser Kotten gehört der Stadt Solingen und wird durch das Kuratorium Balkhauser Kotten unterhalten. Viel Unterstützung vor Ort erfährt der Verein von dem Kustoden-Ehepaar, die im Kotten wohnen, leben und wirken. Kustode? Was ist das? Ein Kustode ist grob umschrieben eine Art wissenschaftlicher Betreuer einer Sammlung oder eines Museums, der in diesem Falle auch hausmeisterliche Tätigkeiten ausübt.
In dieser einstigen Doppelkottenanlage „im steilen Felsental der Wupper“ wurde bis in die zwanziger Jahre noch mit Wasserkraft gearbeitet. Der Außenkotten wurde im Februar 1950 niedergelegt, weil er dem Ausbau des Balkhauser Weges im Wege stand. Im einstigen Innenkotten wurde am 14. April 1962 ein Schleifermuseum eröffnet. Am 11. Dezember 1969 fiel dieser allerdings einer Brandstiftung zum Opfer. 1971 begann der Wiederaufbau des Kotten, der am 4. November 1972 wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde.
Hier beginnt nun eine kleine Zeitreise durch die Geschichte der Schleiferei. Nach dem Herrichten des Obergrabens und Wiederherstellung von Schlacht und Schütz, konnte das unterschlächtige Wasserrad wieder die Schleifsteine in Bewegung setzen. Leider ist die Welle, ein etwa 6 Meter messender Eichenstamm, morsch und muss ersetzt werden, so dass das Wasserrad nicht funktionstüchtig ist. Von der Welle aus geht es in drei hintereinander liegende Räume, in denen Schleif- und Poliersteine aus verschiedenen Epochen aufgebaut sind und allesamt in Betrieb genommen werden könnten. Zu jeder Epoche gibt es viele Informationen und Geschichten, die einem das Leben und Arbeiten zur Zeit der Schleiferei näher bringen.
Die Schleiferei ist nur ein Teil der handwerklichen Tradition der Klingenproduktion. Diese erfolgte arbeitsteilig; Schmiede, Härter, Schleifer und Schwertfeger bildeten getrennte Bruderschaften und teilten die verschiedenen Arbeitsgänge untereinander auf. Ihre sozialen Stellung nach waren die Schleifer zugleich selbständige Meister und lohnabhängige Arbeiter: Sie besaßen eigene Produktionsmittel, aber die Menge der zu bearbeitenden Stücke wurde ihnen von anderen vorgegeben und im Akkord erledigt.
Im Anschluss an die Veranstaltung gab es noch Kaffee und von der Kustodin selbstgebackenen Kuchen. Zum Abschluss konnte, wer wollte, sich noch eine Fotoausstellung über den Kotten im Obergeschoß anschauen.