Kathedrale der U5, Bhf. Berliner Rathaus
Zurzeit wird zwischen der in den 1930er Jahren gebauten Linie der U5 am Alexanderplatz der Lückenschluss zur 2006 eröffneten "Kanzlerbahn" gebaut. Schon vor über 80 Jahren erreichte die Abstellanlage in südlicher Richtung fast das "Rote Rathaus" Ecke Jüdenstraße, so dass die Baumaßnahme unmittelbar mit dem Neubau eines Bahnhofes beginnt. Der alte Tunnel war bereits für zwei Linienführungen übereinander ausgeführt, so dass die Sohle entsprechend tief liegt. Der Bahnhof wird ebenfalls zweigeschossige Seitenbahnsteige enthalten, wobei die untere Ebene vorerst die alte, entfalle Abstellanlage aufnehmen wird. Die Art der Ausführung stellt die moderne Form der "Berliner Bauweise" dar, bei der früher für die Außenwände Träger in den Boden gerammt wurden und dann nach einer ersten Ausbaggerung ein Deckel aus Betonplatten daraufgelegt wurde. Somit konnte der Oberflächenverkehr bald wieder fließen, während darunter der märkische Sand herausgegraben wurde. Bei der Tiefe und dem hoch anstehenden Grundwasser musste das anders realisiert werden. Die Seitenwände bestehen aus Schlitzwänden, die bis unter die Sohle des zukünftigen Bahnhofs gegründet sind, um dann durch Injektionen in 32 Meter Tiefe eine zwei Meter starke Abdichtung nach unten zu schaffen. Auf diesen umschlossenen Körper wurde schließlich als oberer Abschluss die Decke des Verteilergeschosses aus Beton gegossen, die bereits mit den Öffnungen für Treppenanlagen und Aufzüge versehen ist. Jetzt kann der Boden darunter herausgearbeitet werden, was für die vorbeiströmenden Passanten weitestgehend unbeobachtet geschieht. Immerhin entsteht unter der großen Betonfläche mit rund 130 Meter Länge und im Bereich der Seitenausgänge mehr als 30 Meter Breite eine unterirdischen Kathedrale, in der sich selbst große Baumaschinen wie Spielzeuge ausmachen und die gut im Zeitplan liegenden Bauarbeiter fast verlieren. Da bei dieser "von oben nach unten" vorgehenden Bauweise notwendige Stützen erst danach eingebaut werden können, wird die Durchbiegung der Decke während der Bauphase dadurch verhindert, dass sie an Überzügen aufgehängt ist. Bei der Bauvorbereitung wurde auf der ehemals gegenüberliegenden Straßenseite Reste des alten Berliner Rathauses gefunden, die geborgen wurden und später im Verteilergeschoss in einem sogenannten historischen Fenster sichtbar und vom Keller des Rotes Rathauses zugänglich gemacht werden sollen.
Augenblicklich befindet sich - noch durch die Spandauer Straße getrennt - eine zweite Baugrube, an deren östlicher Außenwand die Kontur der beiden Streckentunnel zu erkennen ist. Das ist gleichzeitig die Startgrube des Schildvortriebes, dessen erste Röhre vor einigen Wochen den Zielschacht am Bahnhof Brandenburger Tor erreicht hat und nun für Ihre zweite Tour auseinandergebaut wird. Ein neues Schneidrad liegt schon am Nicolaiviertel bereit - wir wünschen gute Fahrt.
Auf eine Kuriosität sei noch eingegangen. Bei Probebohrungen für die Schlitzwand wurde unbemerkt aber punktgenau ein Verbauträger aus den 30er Jahren getroffen. Nachdem er freigelegt wurde, erkannte man die zufällig fast perfekt entstandene Verdrillung und barg ihn. Derzeit ist er vor der Rathaustreppe zu sehen und wird einen endgültigen Standort erhalten.
Abschließend gilt mein Dank den Kollegen Patrick Machoni und Bernd Haselow vom bauherrenseitigen Vermessungsbüro Zech & Ruth, die die Kontakte zur Oberbauleitung Schüßler Plan herstellten. Dort sei insbesondere Berthold Tutschek gedankt, der uns über die Maßnahme informierte und sicher geleitet hat.
Text und Fotos: Christian Gantzberg