Eingeladen hatte der Oberhessische Geschichtsverein Gießen für den 16. Januar 2019 nach Gießen ins Alte Schloss zur Zeitreise der Geschichte der Landesvermessung mit dem Referenten Dipl.-Ing. (FH) Gerd Köhler. Der VDV Hessen Mitte mobilisierte daraufhin seine Mitglieder für diesen hochkarätigen Vortrag. Gerd Köhler, Abteilungsdirektor a.D., ehemalige Leiter der Zentralabteilung und Stellvertreter des Präsidenten im Hessischen Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation ist uns Allen bestens bekannt durch seine vielen Kommentare zum Hessischen Vermessungs- und Geoinformationsgesetz weckte natürlich das Interesse unserer Mitglieder.
Unter Beifall beendete er eine Zeitreise durch 15 000 Jahre Geschichte der Landvermessung in gut einer Stunde, die mit einer um 13 000 vor Chr. datierten Ritzung in einem Fundstück begann, die als älteste Karte interpretiert werden könnte, und bei GPS, Navi und autonomem Fahren endete. Im Zwei-Strom-Land zwischen Euphrat und Tigris entstand die erste »systematisch erstellte kartografische Darstellung« mit dem ersten erhaltenen Stadtplan der Stadt Niffur in Mesopotamien zwischen 3000 und 1500 v. Chr. Für Babylon reklamierte Köhler auch eine Weltkarte zwischen 700 und 500 v. Chr., natürlich mit Babylon als Zentrum. Die Vorstellung der Welt als Scheibe übernahmen die Griechen und Römer. Zeitgleich stellten die Chinesen die Erde als Rechteck dar. Pythagoras war der Ansicht, dass die Welt eine Kugel sei, konnte sich damit aber nicht durchsetzen, im Gegensatz zu dem Weltbild des Ptolemäus, der um 150 n. Chr. die Erde als Mittelpunkt des Alls sah.
Die »Stimme des Christentums« stellte sich ab 300 n. Chr. weiter die Erde als Scheibe vor und manifestierte sich in zahlreichen Kirchenkarten, deren Einfluss bis ins 14./15. Jahrhundert reichte. Als Beispiel zeigte Köhler die um 1300 in einem Kloster der Lüneburger Heide entstandene Ebsdorfer Weltkarte, ein reines Produkt der Fantasie. Ganz anders waren Expertenkarten, für die im 14./15. Jahrhundert Mallorca ein Zentrum war. Mit dem Zeitalter der Entdeckungen wurde auch das Weltbild klarer dokumentiert, im 15. Jahrhundert etwa durch die Waldseemüller-Karte.
Satelliten ersetzen die Sterne
Unter dem Schlagwort »Der Himmel« behandelte Köhler die zentrale Frage der Landvermessung nach dem Platz des Menschen auf der Erde. Er folgte dabei Helmerts Definition der Landvermessung als »Wissenschaft von der Ausmessung und Abbildung der Erdoberfläche« und zeigte nach Festlegung des Äquators für den Null-Breitengrad die heftige Diskussion um den Nullmeridian der Längenmessung auf. Typisch für das 16./17. Jahrhundert wurden die Territorialkarten, anhand derer Köhler die Technik der Triangulation vorstellte und eine noch wenig präzise Hessenkarte von 1690 zeigte, typisch für Regionalkarten dieser Zeit. Erste Kartenwerke mit Messtischblättern entstanden. Erste Grundstücksvermessungen gingen bereits auf die Überschwemmungen von Euphrat, Tigris und Nil zurück, der Buchdruck der Renaissance verbreitete auch die Basis der Landvermessung. Kurios der Versuch unter Napoleon, die »gerechte Steuer« aus Angaben der Steuerzahler zu ermitteln – mit dem Ergebnis, dass Frankreich dann nur noch ein Drittel so groß gewesen wäre.
Im 21. Jahrhundert ist der Himmel zwar nicht abgeschafft, aber »die Sterne werden nicht mehr gebraucht«. Sie sind ersetzt durch Satelliten.
Die VDV Mitglieder des Bezirkes Hessen Mitte trafen sich anschließend in der Pizza Roma um über den Vortrag zu fachsimpeln und über die ein oder andere Anekdote aus dem eigenen Berufsalltag zu erzählen. Die Nachbesprechung fand in unterhaltsamer Runde mit den Kolleginnen und Kollegen vom Amt für Bodenmanagement Marburg statt. Gerd Köhler, ehem. langjähriges VDV Mitglied, unterstützte und förderte während seiner Amtszeit oft die Interessen des VDV.
Quelle: Gießener Allgemeine Zeitung - Kurzweilige Zeitreise