Das Thema automatisiertes Fahren war im Jahr 2017 in aller Munde. Die Automobilindustrie hat erkannt, dass hochgenaue Karten ein entscheidender Faktor bei der automatisierten Steuerung von Fahrzeugen sind. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat gemeinsam mit dem Freistaat Bayern, dem Verband der Automobilindustrie e. V. (VDA) und dem Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (Bitkom) hierzu das digitale Testfeld BAB A9 ausgewiesen, wo die verschiedenen Fahrzeughersteller in der relativ strukturierten Verkehrssituation des Autobahnverkehrs ihre Erprobungen durchführen können. Das Testfeld liegt vor der Haustür des Hauptsitzes der AUDI AG in Ingolstadt. Am 20.10.2017 konnten sich die Exkursionsteilnehmer des VDV-Bezirks Nürnberg einen Eindruck über den bisherigen Entwicklungsstand verschaffen.
Pünktlich um 10 Uhr fanden sich alle Exkursionsteilnehmer im Gebäude "Markt und Kunde" des Audi Forum Ingolstadt ein, wo sie von Florian Haubner (Audi Electronics Venture GmbH) in Empfang genommen wurden. Auftakt des Programms war ein Fachvortrag von Herrn Haubner mit dem Titel „HD Karten für automatisiertes Fahren“, welcher den Teilnehmer einen umfassenden Überblick über das Thema des automatisierten Fahrens im Allgemeinen, den Entwicklungsstand bei der AUDI AG und der Einbindung von hochpräzisen Karten in diese Entwicklungsansätze im speziellen gab. Statistisch werden 90% der Verkehrsunfälle durch das Fehlverhalten des Menschen verursacht, so dass es ein konsequenter Schritt zu mehr Verkehrssicherheit ist, diesen Faktor auf ein Minimum zu reduzieren. Das Thema automatisiertes Fahren, beschäftigt die Autoindustrie schon seit langem. Bereits 1954 wurde mit dem Konzeptfahrzeug Firebird II von General Motors ein Fahrzeug vorgestellt, das erste Funktionalitäten zum automatisierten Fahren besaß. Der neue Audi A8 ist nun im Jahr 2017 das erste Serienauto der Welt, das für hochautomatisiertes Fahren auf Level 3 nach den internationalen Standards konzipiert ist. Die Klassifizierung der Systeme erfolgt an Hand des Automatisierungsgrads nach der Norm SAE J3016. Bei den Systemen des Levels 1-2 handelt es sich um reine Assistenzsysteme, bei denen der Fahrer weiterhin in der vollen Verantwortung ist, das Fahrzeug zu kontrollieren. Solche Systeme, z. B. Parkassistent, Abstands- und Spurhalteassistent, haben bereits in der Serienproduktion Einzug gehalten. Bei Level 3, für welches der neue Audi A8 ausgelegt ist, und Level 4 liegt bereits eine Teilautomatisierung vor, bei welcher der Fahrer lediglich in Situationen die das Handlungsvermögen der Systems übersteigen, eingreifen muss. Level 5 würde eine Vollautomatisierung in allen Fahrsituationen bedeuten, der Mensch ist nur noch Passagier. Bei Audi sieht man sich grundsätzlich vor drei Herausforderungen gestellt: Die Wahrnehmung der Fahrzeugumgebung, die automatisierte Planung der korrekten Handlung und die unmittelbare Umsetzung der Handlung durch die mechanischen Komponenten des Fahrzeugs. Das Wahrnehmen der Fahrzeugumgebung beinhaltet zum einen die Positionierung des Fahrzeugs in seiner Umgebung und zum anderen das Erkennen von anderen Fahrzeugen/ Hindernissen und deren Bewegungen. Hierzu sollen Radarsensoren, Kamera- und Laserscansysteme eingesetzt werden. Als Zusatzinformation werden für die Positionierung des Fahrzeugs hochauflösende Kartenwerke hinterlegt, die deutlich über den in Navigationsgeräten bisher verwendeten Stand hinausgehen. Dieser Kartenstandard soll zukünftig ein sogenanntes Lane Model umfassen, welches spurgenau die Verkehrsführung, inklusive Sperrflächen und zusätzlich sogenannte Landmarks zur Positionierung beinhaltet. Darüber hinaus könnten noch weitere Metadaten, z. B. Wildwechselzonen, hinterlegt werden. Diese Karten werden derzeit von Kartenanbietern mittels Mobile-Mapping-Systemen erstellt. Eine Lösung zur Positionierung des Fahrzeugs in der Karte liegt in der permanenten Erfassung von Landmarken mittels der Fahrzeug-Sensorik. Darüber hinaus wäre es denkbar, dass die Fahrzeuge laufend zusätzliche Landmarken erfassen und auf dieser Basis die hochgenauen Karten aktualisiert werden. Bezüglich der Planung der Fahrzeugreaktion ist die Vision von Audi eine Kommunikation der gesteuerten Fahrzeuge untereinander (V2X Communication), wobei weiterhin das Verhalten aller Verkehrsteilnehmer mittels Sensorik wahrgenommen wird. Die mechanische Reaktion des Fahrzeugs muss anschließend direkt und kurzfristig umgesetzt werden. Hier wird ein intuitives User-Interface als essentiell gesehen, das dem Fahrer die Handlungen des Fahrzeugs nachvollziehbar aufzeigt.
Nach diesem informativen Vortrag und einem gemeinsamen Mittagessen im Restaurant des Audi Forum, konnten sich die Exkursionsteilnehmer im Rahmen der Werksführung „Produktion kompakt“ einen Eindruck über den Produktionsalltag am Standort Ingolstadt verschaffen. Von den insgesamt ca. 91.000 Beschäftigten der AUDI AG arbeiten rund 44.000 Mitarbeiter, an diesem Standort. Dies beinhaltet auch ca. 1.700 Auszubildende in den verschiedenen Aufgabenbereichen des Automobilbaus. Jeden Tag verlassen hier ca. 2.400 Fahrzeuge das Werk wovon zu Spitzenzeiten ca. 400 Stück im Audi Forum Ingolstadt persönlich an den neuen Eigentümer übergeben werden. Die Führung zeigte auch den zum größten Teil durch Robotertechnik automatisierten Karosseriebauprozesse der in Ingolstadt gefertigten Modelle A3, Q2 und Q3. Hier ist ein fester Bestandteil der Fertigungskette auch die fortlaufende vermessungstechnische Qualitätskontrolle der einzelnen Bauteile mittels Lasertracking-Systemen. Anschließend konnte die Endmontage der Fahrzeuge inklusive der sogenannten "Hochzeit", also die Verbindung von Motor und Antriebselementen mit der Karosserie, beobachtet werden. Abgerundet wurde das Besichtigungsprogramm durch eine Führung durch das "Audimuseum mobile" bei der die bewegte Geschichte des Audi-Konzerns dargestellt wurde. Beginnend mit der Firmengründung der Horch Werke im Jahr 1904 in Zwickau, über die Abspaltung der Audi-Werke vom Mutterkonzern 1910 und den in den Jahren nach der Weltwirtschaftskrise notwendigen Fusionen mit den DKW-Werken, der Horch AG und dem Automobilbauer Wanderer zur Auto Union GmbH, bis hin zur Übernahme durch den Volkswagenkonzern im Jahr 1964 und der Fusion mit dem in Neckarsulm angesiedelten Automobilhersteller NSU zur Audi NSU Auto Union AG. Seit 1985 ist Ingolstadt wieder Hauptsitz des nun endgültig unter dem Namen AUDI AG bekannten Automobilherstellers mit den vier Ringen als Logo (Symbol der Fusion Horch, Audi, DKW und Wanderer) und dem Slogan „Vorsprung durch Technik (ursprünglich Slogan der NSU Werke).
Bei einem abschließenden gemeinsamen Abendessen konnten sich die Teilnehmer der Exkursion über die vielen Eindrücke des Tages und auch viele andere Themen in gemütlicher Runde austauschen bevor wieder die Heimreise angetreten wurde.