1971 entstand anlässlich des 300 jährigen Bestehens der Jüdischen Gemeinde die Idee, beim damaligen Berlin Museum nach Zerstörung unter den Nationalsozialisten eine Abteilung jüdischer Geschichte in Deutschland neu zu etablieren. Den Wettbewerb für einen Erweiterungsbau dazu gewann 1989 der Architekt Daniel Liebeskind mit einem markanten und viel Symbolik behafteten Entwurf. Nach der Wiedervereinigung war schnell klar, dass das ehemalige Kammergerichtsgebäude nun gänzlich zu einem jüdischen Museum entwickelt werden muss. Es gehört heute zu den am meisten besuchten Museen Berlins und genießt als Größtes in Europa internationale Anerkennung. Zurzeit wird die Ausstellung bis 2020 neu gestaltet und es werden derzeit reine Architekturführungen angeboten.
15 Interessierte des Bezirks Berlin ließen sich durch den Neubau führen und die Symbolik erläutern. Dies beginnt bereits mit dem Grundriss, der an einen Riss in der Gesellschaft oder einen zerbrochenen Davidsstern erinnern soll. Da Liebeskind den Solitär bewusst türlos gehalten hat, erfolgt der Zugang über eine hinabführende Treppe im Altbau und einen kurzen Gang unter dem Hof in den Keller des freistehenden Neubaus. Von dort verlaufen drei sich kreuzende schiefe Gänge:
Die Achse der Kontinuität (das heutige Leben und die Religionsausübung) , die an einer hohen, zur Dauerausstellung führenden Treppe im derzeit nicht zugänglichen Obergeschoss endet, die Achse des Exils (Vertreibung) und die Achse des Holocaust (Ermordung).
Die Vertreibung wird von vielen Alltagsgegenstände verdeutlicht, die von Nachfahren der Geflüchteten gespendet worden sind. Der Gang des Holocaust endet in einem fensterlosen, unbeleuchteten Turm, in den leise Straßenlärm eindringt und der damit noch beklemmender wirkt. Im Erdgeschoß wird das heutige Leben in Stichworten anhand des jüdischen Alphabets erläutert. Von hier ist ein weiterer Raum der Stille betretbar, ein Lichthof über alle Geschosse, in den nachträglich ein Kunstwerk eingebracht wurde. Liebeskind wollte alle Räume der Stille (Memory Voids) leer belassen, um die Leere, die das Judentum hinterließ, zu symbolisieren. Hier wurden jedoch mit seiner Zustimmung Metallplatten (Schalechet = gefallenes Laub) in mehreren Lagen ausgelegt, die Öffnungen ähnlich Augen, Nase und Mund aufweisen. Der Künstler Menashe Kadishman erlaubt ausdrücklich das Betreten, allerdings erzeugt der Gedanke, auf Gesichter zu treten und das klirrende Geräusch der losen Platten gehörigen Respekt.
Nach eineinhalb Stunden entließ uns Herr Wrasse mit viel Wissen und Verständnis für das Haus und noch mehr Neugier auf zukünftige Ausstellungen. Zur Nachbetrachtung fand sich die Gruppe dann bei einem nahegelegenen Kroaten ein.