zum Content

Besichtigung der Hafentunnelbaustelle in Bremerhaven

Termin:  10.11.2023 14:00 Uhr
Ort: Bremerhaven

Am Freitag, dem 10. November 2023, trafen sich die 25 Besichtigungsteilnehmer in Bremerhaven, Ecke Lotjeweg/Eichenweg vor dem Betriebsgebäude mit Dr. Ing. Volker Gudehus. Bevor wir im Gebäude in den Tunnel hinabstiegen,  berichtete er kurz vom Werdegang des Tunnelprojektes.
Die ersten Planungen begannen schon 1996, im November 2013 wurde die Baustelle eingerichtet und 2014 begannen die Bauarbeiten. Die Arbeiten sollten 2019 abgeschlossen sein und der Verkehr durch den Tunnel fließen, doch die Corona – Pandemie brachte alles gewaltig in Verzug, es kam zu Lieferengpässen und Materialknappheit.                                                                                

Beim Hinabgehen erfuhren wir, dass alle Treppenhäuser als Fluchtwege ausgelegt sind. Durch ständige Frischluftzufuhr kann im Falle eines Brandes kein Rauch eindringen; so gelangt man gefahrlos nach draußen. Insgesamt gibt es zehn mit grünen LEDS umrandete Fluchttüren im Abstand von 150 Metern.                                                                                          

Beim Betreten des Tunnels fiel uns die angenehme Ausleuchtung auf. Herr Gudehus teilte uns mit, dass die Seitenwände drei Meter hoch mit einer nicht reflektierenden hellen Farbe beschichtet sind, außerdem wurde ein hellerer Fahrbahnbelag mit Aufhellungssteinen verbaut. Die weißen Kaltplastikstreifen sind im Abstand von 35 Zentimetern um fünf Millimeter erhöht. Dadurch werden die Fahrzeuge beim Überfahren durchgerüttelt und somit ein Spurwechsel in den Gegenverkehr verhindert.
Die Gesamtbreite setzt sich zusammen aus zwei 3,50 Meter breiten Fahrstreifen und an den Rändern  Standstreifen und Notgehwege. Die Fahrstreifen haben in der Mitte eine ein Meter breite Sperrfläche mit Rüttelstreifen.
Mittig in der Röhre wurde unter der Fahrbahn ein von der Fahrbahn zugängliches Auffangbecken für das kontaminierte Fahrbahnwasser eingebaut. Das einfließende Regenwasser bei den Tunnel-Ein- und Ausfahrten hat eigene Auffangbecken und wird von dort direkt dem umliegenden Erdreich zugeführt.                                                                                                                     

Bevor wir den Tunnel am Ost-Südportal verließen, informierte uns Herr Gudehus über die technischen Einrichtungen; Kameras, Blitzer, die Überwachung und die Höhenkontrolle.

Blitzer

Die Hafentunnelstraße ist eine innerörtliche Straße und somit sind 50 km/h vorgeschrieben. Durch den fast 1,8 Kilometer langen geraden Verlauf verfällt man leicht in schnelleres Fahren. In der Nähe der Ein- und Ausfahrt und in der Mitte hängt jeweils eine „foto-optische“ Kamera. Es blitzt bei der Erfassung nicht (Nachteil für die „Schnellfahrer“, sie werden nicht vorgewarnt sondern mit dem Ordnungswidrigkeits- oder Bußgeldbescheid von ihrem Vergehen benachrichtigt). Damit auch Kradfahrer erfasst werden können, wird jeweils von vorne und hinten ein Foto geschossen.
Die Geschwindigkeit und die Verkehrsdichte werden mittels Kontaktschleifen im Boden ermittelt

Kameras

Der Tunnel ist das am besten überwachte Bauwerk in Bremerhaven, insgesamt 94 Kameras und Sensoren befinden sich in und um den Tunnel, in Ein- und Ausfahrten und in den Fluchttreppenhäusern. Sie übermitteln Bilder und Daten zur Polizei und Feuerwehr in Bremerhaven und in die Überwachungszentrale in Bremen.
Die Bremerhavener Feuerwehr vermutet, dass in keinem deutschen Tunnelbauwerk der Anteil von Gefahrgut- und Schwerlastverkehr höher ist.

Überwachung

In den zwei Betriebsgebäuden außerhalb des Tunnels ist die Straßentechnik untergebracht. In einem der Gebäude ist ein Leitstand mit zwei Bildschirmarbeitsplätzen eingerichtet; von hier kann die gesamte Tunneltechnik gesteuert werden. Selbstständig bemerkt das System Unfälle und Staus und schließt die Röhre. Die Überwachung erfolgt in der Verkehrsmanagementzentrale in Bremen, sieben Tage in der Woche, rund um die Uhr. Wird eine Tür zum Treppenhaus geöffnet, ertönt in Bremen ein Signal und ein Bild wird angezeigt. In der Zentrale stehen insgesamt 24 Monitore, davon vier für Bremerhavener.
Die Durchsagen und Anweisungen werden auf die 60 installierten Lautsprecher in den Tunnel übertragen.

Höhenkontrolle

Auf vier Masten mit weitem Abstand zu den Einfahrten sind die Höhenüberwachungssensoren angebracht.
Ist ein Fahrzeug mit einer Höhe von mehr als 4.50 Metern in Richtung Tunneleinfahrt unterwegs, wird der Tunnel sofort automatisch mit Lichtsignalen und Schranken gesperrt, um das Festfahren des Fahrzeugs im Tunneleingang zu verhindern.

Beim Verlassen des Tunnels erklärte uns Herr Gudehus die Beleuchtung an den Decken der Ein- und Ausgänge. Die Beleuchtung passt sich der jeweiligen Situation an, das bedeutet, dass das Licht so eingestellt ist, dass sich das menschliche Auge bei der Ein- und Ausfahrt den Lichtverhältnissen der Umgebung anpasst.

Nach 90 minütigem Tunnelaufenthalt erblickten wir wieder das Tageslicht und weiter ging es mit Daten und Fakten.                                                                                                                             

Für das Bodenmanagement der Baustelle war es erforderlich, dass Flächen gerodet wurden, ca. 60.000 Bäume wurden im trockenen und bewaldeten Bredenmoor gefällt. Im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Ausgleichsmaßnahmen wurde die Gelegenheit genutzt, das Gebiet wieder zum Hochmoor zu entwickeln. Nach der Rodung wurde der Torf entfernt, zwischengelagert und das Gelände mit einem umlaufenden Wall abgedichtet. Nach Abschluss der Bauarbeiten wurde der Torf wieder eingebracht und das Gebiet vernässt. So entstand wieder 20.000 m2 wertvolles Hochmoor, das durch ein Wegesystem offensteht und den Besuchern die Entwicklung des Moores nahebringt. Es wurden, in Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde, Flächen von Rodungen ausgenommen, um landschaftprägende Eichen zu erhalten.

Bei vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen wurde von Biologen Teichmolche umgesiedelt, Waldohreulen-Nisthilfen in der Nähe den Eulen angeboten und bestehende Biotope für seltene Arten gesichert.

Auf der gegenüberliegenden Seite ist der„Tunnelberg“ aus 250.000 Kubikmetern Erdaushub entstanden, auf ihm entstand das „Leherheider Kinderland“, für hiesige Gegebenheiten herrschen schon fast alpine Verhältnisse, ideal zum Schlittenfahren, ebenfalls sind Kletter- und Spielgeräte aufgestellt.

Fast pyramidenförmig erhebt sich der künstlich geschaffene Berg. Zwei Serpentinen-Wege führen zum „Gipfel“, der eine leicht und der andere steil ansteigend

Auf dem Rückweg zum Betriebsgebäude, unserem Ausgangspunkt, wurde noch viel diskutiert und manche Frage an Herrn Gudehus gestellt, der uns dank seiner fachlichen Kompetenz und seiner humorvollen und lockeren Art einen sehr schönen und interessanten Nachmittag geboten hat. Ich bedankte mich bei unserem „Tunnelexperten“  Dr. Ing.Volker Gudehus mit einem kleinen erlesenen Präsent und bot ihm die Teilnahme an künftige VDV-Veranstaltungen an. Er versicherte mir, dass er gerne davon Gebrauch machen werde, falls es terminlich für ihn passt,.

Heinz-Dieter Roesler